Die Vererbung einer
Doppelhaushälfte, die vom Erblasser selbst genutzt wurde und neben der vom
Erben genutzten anderen Doppelhaushälfte liegt, ist erbschaftsteuerfrei, wenn
der Erbe die geerbte Doppelhaushälfte mit seiner bereits vorhandenen
Doppelhaushälfte verbindet und er die geerbte Doppelhaushälfte zur
unverzüglichen Selbstnutzung bestimmt. Dies setzt grundsätzlich eine
Selbstnutzung innerhalb von sechs Monaten voraus, es sei denn, es sind
gravierende Baumängel vorhanden und der Erbe bemüht sich um eine Beseitigung
der Mängel in angemessener Weise.

Hintergrund: Die
Vererbung eines Familienheims, d. h. einer vom Erblasser selbst genutzten
Immobilie, ist erbschaftsteuerfrei, wenn der Erbe die Immobilie unverzüglich
zur Selbstnutzung bestimmt und soweit das Familienheim eine Wohnfläche von 200
m² nicht übersteigt.

Sachverhalt: Der Kläger
und sein Vater lebten in einem Doppelhaus und bewohnten jeweils eine Hälfte.
Der Vater starb im Oktober 2013 und vererbte seine Doppelhaushälfte an den
Kläger. Der Kläger verband beide Hälften miteinander und begann im Herbst 2014
mit der Entrümpelung, nutzte die geerbte Doppelhaushälfte aber zunächst noch
nicht selbst, da in der geerbten Doppelhaushälfte Feuchtigkeitsschäden entdeckt
wurden. Erst ab August 2016 nutzte der Kläger die geerbte Doppelhaushälfte zu
eigenen Wohnzwecken. Das Finanzamt versagte die Steuerbefreiung, weil der
Kläger die geerbte Doppelhaushälfte nicht unverzüglich zur Selbstnutzung
bestimmt hatte.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das
Finanzgericht (FG) zurück:

  • Grundsätzlich kann die geerbte
    Doppelhaushälfte erbschaftsteuerfrei sein. Denn der Vater des Klägers hatte sie
    zu eigenen Wohnzwecken genutzt, und der Kläger verband die geerbte
    Doppelhaushälfte mit der eigenen, selbstgenutzten Doppelhaushälfte.

  • Allerdings muss noch
    aufgeklärt werden, ob die geerbte Doppelhaushälfte unverzüglich zur
    Selbstnutzung bestimmt wurde und damit als Familienheim dienen sollte. Hierfür
    genügt es nicht, dass die geerbte Doppelhaushälfte zunächst nur als Lagerplatz
    und lediglich der Garten genutzt wurde. Vielmehr musste der Kläger die geerbte
    Immobilie grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten selbst
    nutzen.

  • Erfolgt die Selbstnutzung erst
    nach Ablauf von sechs Monaten, ist dies nur dann unschädlich, wenn dem Erben
    eine Selbstnutzung innerhalb von sechs Monaten aus von ihm nicht zu
    vertretenden Gründen nicht möglich war. Dies ist z.B. der Fall, wenn sich nach
    Beginn der Renovierung ein gravierender Baumangel zeigt, der vor dem Einzug
    beseitigt werden muss. Es genügt dann, wenn der Erbe die erforderlichen
    Bauarbeiten unverzüglich in Auftrag gibt. Verzögern sich dann die Baumaßnahmen,
    weil die Handwerker ausgelastet sind, ist dies dem Erben nicht anzulasten. Der
    Erbe ist nicht verpflichtet, einen unverhältnismäßigen Aufwand zu betreiben, um
    den Mangel zu beseitigen.

  • Auch bei Entdeckung eines
    größeren Baumangels muss der Erbe aber grundsätzlich zeitnah mit der
    Entrümpelung beginnen. Eine spätere Entrümpelung ist nur dann unschädlich, wenn
    sie nicht zu einer Verzögerung bei der Selbstnutzung führt, weil ohnehin erst
    der Baumangel beseitigt werden muss.

Hinweise: Das FG muss nun
aufklären, ob der Kläger die Beseitigung der Feuchtigkeit nach der
Verkehrsanschauung angemessen gefördert hat. Er ist nicht verpflichtet, alles
technisch Denkbare wie z.B. Trocknungsgeräte einzusetzen, um den Mangel
schnellstmöglich zu beseitigen. Der BFH macht deutlich, dass kein allzu
strenger Maßstab bei der Beseitigung von Baumängeln an einer geerbten Immobilie
angelegt werden darf. Es kommt auf die Verkehrsanschauung an, so dass eine
angemessene Förderung des Baufortschritts genügt.

Sollte im Streitfall eine
unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung zu bejahen sein, muss das FG noch
prüfen, ob die geerbte Doppelhaushälfte eine Fläche von mehr als 200 m²
aufwies. Falls ja, wäre die Steuerfreiheit nur teilweise zu gewähren, bei einer
Fläche von 300 m² also nur zu 2/3.

BFH, Urteil v. 6.5.2021 – II R
46/19; NWB