Die Höhe der Säumniszuschläge von 1 % pro Monat bzw. 12 % pro Jahr
ist verfassungsgemäß, da jedenfalls seit Beginn des russischen Angriffskriegs
gegen die Ukraine die Marktzinsen deutlich und dauerhaft gestiegen sind.

Hintergrund: Bei einer
verspäteten Zahlung von Steuern werden für jeden Monat Säumniszuschläge in Höhe
von 1 % des rückständigen Betrags verwirkt (jährlich 12 %). Das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Jahr 2021 die Höhe des Zinssatzes von
6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig
erklärt. Der Gesetzgeber hat deshalb rückwirkend ab 1.1.2019 den Zinssatz auf
0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich gemindert. Für Säumniszuschläge bleibt es
aber bei dem Satz von 1 % pro Monat. Ob diese Höhe verfassungskonform ist, ist
umstritten.

Sachverhalt: Der Antragsteller
erhielt einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2017, aus dem sich eine
Nachzahlung in Höhe von ca. 190.000 € ergab. Er beantragte zunächst mit
Erfolg die Aussetzung der Vollziehung, so dass keine Säumniszuschläge verwirkt
wurden. Das Finanzamt widerrief jedoch mit Wirkung zum 19.3.2022 die Aussetzung
der Vollziehung und machte die weitere Gewährung der Aussetzung der Vollziehung
von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 108.000 € abhängig. Hierzu
teilte es dem Antragsteller mit, dass die Aussetzung der Vollziehung weiterhin
ab Fälligkeit ausgesetzt werde, sofern die Sicherheitsleistung erbracht werde.
Nach längeren Verhandlungen zwischen dem Antragsteller und dem Finanzamt wurde
am 20.12.2022 eine Grundschuld auf einem Grundstück zugunsten des Finanzamts
eingetragen. Das Finanzamt gewährte nun erneut eine Aussetzung der Vollziehung,
aber nur mit Wirkung ab dem 20.12.2022. Dies führte dazu, dass der
Antragsteller Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 19.3.2022 bis zum
19.12.2022 in Höhe von ca. 17.000 € zahlen sollte. Er beantragte einen
Abrechnungsbescheid und anschließend die Aussetzung der Vollziehung des
Abrechnungsbescheids.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des
Abrechnungsbescheids statt:

  • Zwar ist die Höhe der Säumniszuschläge verfassungsgemäß. Denn
    selbst wenn man annehmen würde, dass Säumniszuschläge auch eine Gegenleistung
    für den Liquiditätsvorteil für den Steuerpflichtigen darstellen, wäre die Höhe
    von 12 % pro Jahr nicht unverhältnismäßig. Denn jedenfalls seit Beginn des
    Kriegs, den Russland gegen die Ukraine führt, ist die Niedrigzinsphase beendet
    worden. So sind z.B. die Zinssätze für private Überziehungskredite von 6,95 %
    im Februar 2022 auf 8,33 % im Dezember 2022 gestiegen. Ein im Säumniszuschlag
    enthaltener Gegenleistungsanteil wäre daher nicht mehr realitätsfremd.

  • Es bestehen aber ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
    Abrechnungsbescheids, insbesondere hinsichtlich des Beginns der gewährten
    Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt hat die erneute Aussetzung nämlich
    erst mit Wirkung ab dem 20.12.2022 ausgesprochen. Allerdings spricht einiges
    dafür, dass die (erneute) Aussetzung der Vollziehung weiterhin ab Fälligkeit,
    also rückwirkend ab Fälligkeit, gewährt wurde, so dass keine Säumniszuschläge
    verwirkt wurden. Denn das Finanzamt hat beim Widerruf der Aussetzung der
    Vollziehung selbst ausgeführt, dass die Vollziehung weiterhin ab Fälligkeit
    ausgesetzt wird, sofern die Sicherheitsleistung erbracht wird. Da die
    Sicherheitsleistung durch Eintragung einer Grundschuld erbracht wurde, ist von
    einer rückwirkenden Aussetzung der Vollziehung auszugehen.

Hinweise: Über die
Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen kann abschließend nur das
Bundesverfassungsgericht entscheiden. Der BFH geht bislang überwiegend von
einer Verfassungsmäßigkeit aus. Hierzu passt auch das aktuelle Urteil, in dem
der BFH nun erstmalig auf die gestiegenen Zinsen seit Beginn des Kriegs in der
Ukraine hinweist.

Geht man davon aus, dass in den Säumniszuschlägen keine
Gegenleistung für den Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen enthalten ist,
stellt der Säumniszuschlag nur ein Druckmittel dar, um den Steuerpflichtigen
zur pünktlichen Zahlung zu bewegen. Auf die Höhe der Zinsen am Markt und auf
ein etwaiges Ungleichgewicht zwischen der Höhe des Säumniszuschlags und der
Marktzinsen kommt es dann nicht an.

Quelle: BFH, Beschluss vom 21.3.2025 – X B 21/25 (AdV);
NWB