Wird eine Anteilsübertragung, die Anteile an einer grundbesitzenden
GmbH betrifft, rückgängig gemacht und anschließend auch die Rückgängigmachung
rückgängig gemacht, kann dies zwar zur Entstehung von Grunderwerbsteuer führen.
Allerdings kann die erneute Rückgängigmachung zur Aufhebung der
Grunderwerbsteuer führen, weil nach dem Gesetz die Entstehung der
Grunderwerbsteuer unter bestimmten Voraussetzungen rückgängig gemacht werden
kann.

Hintergrund: Werden Anteile an
einer Gesellschaft, die Grundbesitz hält, übertragen und ist der Erwerber nun
mit mindestens 90 % (seit 1.7.2021) bzw. mit mindestens 95 % (bis zum
30.6.2021) beteiligt, entsteht Grunderwerbsteuer. Man spricht hier von einer
sog. Anteilsvereinigung.

Ein grunderwerbsteuerbarer Grundstückserwerb oder auch
Anteilserwerb kann nach dem Gesetz rückgängig gemacht werden (Rückerwerb).
Erfolgt der Rückerwerb grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren und werden der
Erwerb sowie die Rückgängigmachung beim zuständigen Finanzamt innerhalb von
zwei Wochen angezeigt, entsteht weder für den Erwerb noch für den Rückerwerb
Grunderwerbsteuer.

Sachverhalt: Die Klägerin war ursprünglich mit 94,9 % an der R-AG
beteiligt, die Grundbesitz hielt. Weiterer Gesellschafter war die M-GmbH, die
mit 5,1 % beteiligt war. Mit Vertrag vom 20.12.2011 übertrug die M-GmbH ihre
Beteiligung von 5,1 % auf die Klägerin, die damit nun Alleingesellschafterin
der R-AG war. Die Klägerin zeigte den Anteilserwerb aber erst nach Ablauf von
zwei Wochen beim zuständigen Finanzamt an. Im Jahr 2013 setzte das Finanzamt
Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin fest.

Mit Vertrag vom 10.10.2012 machten die Klägerin und die M-GmbH den
Vertrag vom 20.12.2011 rückgängig, so dass die Klägerin nun wieder mit 94,9 %
beteiligt war. Beide vereinbarten das Recht, den Vertrag vom 10.10.2012
innerhalb von zwei Jahren rückgängig zu machen.

Mit Vertrag vom 8.4.2014 machten die Klägerin und die M-GmbH den
Vertrag vom 10.10.2012 rückgängig, so dass die Klägerin nun wieder mit 100 %
beteiligt war. Dieser Vertrag (vom 8.4.2012) wurde am 14.4.2014, also innerhalb
von zwei Wochen, beim Finanzamt angezeigt. Das Finanzamt setzte nun erneut
Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin fest, da sie nun wieder mit mindestens
95 % an der grundbesitzenden R-AG beteiligt war. Die Klägerin beantragte beim
Finanzamt, die Grunderwerbsteuer aufzuheben, weil es sich um einen Fall der
Rückgängigmachung handle. Das Finanzamt lehnte diesen Antrag ab.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Zwar entstand aufgrund des Vertrags vom 8.4.2014
    Grunderwerbsteuer, da die Beteiligung der Klägerin an der R-AG nun auf
    mindestens 95 %, nämlich auf 100 %, gestiegen war, so dass es bei ihr zu einer
    sog. Anteilsvereinigung gekommen war. Vor dem Vertrag am 8.4.2014 war die
    Klägerin nur mit 94,9 % beteiligt, anschließend aufgrund des Vertrags vom
    8.4.2014 aber mit 100 %.

  • Unbeachtlich war, dass die Klägerin bereits nach dem Vertrag
    vom 20.12.2011 mit 100 % beteiligt gewesen war und diese Beteiligungsquote bis
    zum Vertrag vom 10.10.2012 gehalten hatte. Aufgrund des Vertrags vom
    10.10.2012, mit dem die Anteilsübertragung vom 20.12.2011 rückgängig gemacht
    worden war, sank die Beteiligungsquote der Klägerin ab dem 10.10.2012 wieder
    auf 94,9 % ab. Durch den Vertrag vom 8.4.2014 kam es zu einer erneuten
    Überschreitung der Schädlichkeitsgrenze von 95 %. Gegen diese erneute
    Überschreitung war die Klägerin nicht aufgrund ihrer früheren Beteiligungsquote
    von 100 % im Zeitraum vom 20.12.2011 bis zum 10.10.2012 „immun“.

  • Allerdings stellte der Vertrag vom 8.4.2014 eine
    grunderwerbsteuerliche Rückgängigmachung dar, so dass die Grunderwerbsteuer
    aufzuheben war. Rückgängig gemacht wurde der Vertrag vom 10.10.2012, so dass
    weder der Vertrag vom 10.10.2012 noch der Vertrag vom 8.4.2012
    Grunderwerbsteuer auslöste. Unbeachtlich war, dass der Vertrag vom 8.4.2012
    ohnehin nicht grunderwerbsteuerbar war, da die Klägerin die
    Schädlichkeitsgrenze von 95 % nicht überschritten hatte, sondern vielmehr unter
    diese Grenze gesunken war.

Hinweise: Dem BFH zufolge
widerspräche es der gesetzlichen Zielsetzung, wenn eine Rückgängigmachung
voraussetzt, dass der vorherige Erwerb steuerbar war.

Der BFH hielt es nicht für schädlich, dass die Klägerin und die
M-GmbH die Anteilsübertragung vom 10.10.2012 nicht innerhalb von zwei Wochen
beim Finanzamt angezeigt hatten; denn diese Anteilsübertragung war nicht
grunderwerbsteuerbar.

Hätte die Klägerin die erste Anteilsübertragung vom 20.12.2011
fristgerecht beim Finanzamt angezeigt, hätte die Rückgängigmachung vom
10.10.2012 dazu geführt, dass die Grunderwerbsteuer für den Vertrag vom
20.12.2011 aufgehoben worden wäre.

Quelle: BFH, Urteil vom 7.5.2025 – II R 26/23;
NWB