Zwar kann eine Lohnsteueranrufungsauskunft unter den gleichen
Voraussetzungen geändert oder aufgehoben werden, die für eine verbindliche
Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung gelten. Eine Aufhebung ist aber
jedenfalls dann rechtswidrig, wenn die erteilte Lohnsteueranrufungsauskunft
rechtmäßig war.

Hintergrund: Arbeitgeber und
Arbeitnehmer können beim Finanzamt hinsichtlich lohnsteuerlicher Fragen eine
sog. Anrufungsauskunft beantragen. Das Finanzamt erteilt dann eine
Anrufungsauskunft, so dass die Beteiligten dann wissen, ob z.B. bestimmte
Vergütungen lohnsteuerpflichtig sind oder wann die Lohnsteuer entsteht und
einzubehalten ist.

Sachverhalt: Die Klägerin war
eine AG. Sie bot ihren Führungskräften ein erfolgsabhängiges Vergütungsprogramm
an. Danach sollten die Arbeitnehmer eine erfolgsabhängige Vergütung erhalten,
wenn der Geschäftserfolg in einem vierjährigen Zeitraum den Geschäftserfolg aus
dem vorherigen vierjährigen Zeitraum in einem bestimmten Maß überschritt. Die
Klägerin war der Auffassung, dass es sich um Vergütungen für eine mehrjährige
Tätigkeit handelt, die tarifbegünstigt besteuert werden. Sie beantragte daher
beim Finanzamt im Jahr 2011 eine Lohnsteueranrufungsauskunft zur
Tarifbegünstigung, die das Finanzamt antragsgemäß erteilte. Im April 2017 hob
das Finanzamt die Anrufungsauskunft mit Wirkung für die Zukunft auf und
begründete dies damit, dass die erteilte Anrufungsauskunft rechtswidrig gewesen
sei; denn tatsächlich habe es sich um nicht begünstigte Bonuszahlungen
gehandelt. Hiergegen wandte sich die Klägerin.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt:

  • Der Gesetzgeber hat zwar die Lohnsteueranrufungsauskunft
    geregelt, nicht aber ihre Änderung oder Aufhebung. Jedoch gibt es eine Regelung
    zur Aufhebung oder Änderung einer verbindlichen Auskunft im Anschluss an eine
    Außenprüfung, die entsprechend angewendet werden kann.

  • Danach kann auch eine Lohnsteueranrufungsauskunft grundsätzlich
    aufgehoben oder geändert werden. Allerdings muss das Finanzamt sein Ermessen
    fehlerfrei ausüben. Hierzu gehört die Abwägung des Vertrauens des Arbeitgebers
    in die erteilte Anrufungsauskunft mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der
    Verwaltung, der die Durchsetzung des zutreffenden Rechts verlangt.

  • Im Streitfall hat das Finanzamt sein Ermessen fehlerhaft
    ausgeübt, da die erteilte Anrufungsauskunft rechtmäßig war. Die
    erfolgsabhängige Vergütung wurde nämlich für eine vierjährige Tätigkeit und
    damit für eine mehrjährige Tätigkeit bezahlt. Es kommt nicht darauf an, dass
    die Vergütungen jährlich ausgezahlt wurden.

Hinweise: Die
Lohnsteueranrufungsauskunft wird gebührenfrei erteilt. Dies ist ein großer
Vorteil gegenüber der verbindlichen Auskunft, für die eine Gebühr abhängig von
der Höhe des Streitwerts festgesetzt wird. Der Grund für die Möglichkeit einer
Lohnsteueranrufungsauskunft liegt darin, dass der Arbeitgeber mit dem Einbehalt
und der Abführung der Lohnsteuer quasi staatliche Aufgaben wahrnimmt und
deshalb „fachlichen Rat“ bei lohnsteuerlichen Fragen erhalten
soll; auch der Arbeitnehmer hat diese Möglichkeit. Stellt sich später die
Fehlerhaftigkeit einer Lohnsteueranrufungsauskunft heraus, kann der Arbeitgeber
nicht durch einen Haftungsbescheid für die nicht einbehaltene Lohnsteuer in
Anspruch genommen werden.

BFH, Urteil v. 2.9.2021 – VI R 19/19; NWB