Der Betriebsausgabenabzug eines Unternehmers für Zahlungen an eine
ausländische Briefkastengesellschaft kann nicht aufgrund eines erfolglosen
Benennungsverlangens beschränkt werden, wenn die ausländische
Briefkastengesellschaft dem Unternehmer Bauleistungen in Rechnung gestellt hat
und der Unternehmer hierfür Bauabzugsteuer angemeldet und abgeführt hat. Es
kommt dann nämlich zu einer gesetzlichen Sperrwirkung der Beschränkung des
Betriebsausgabenabzugs, und zwar auch dann, wenn die ausländische
Briefkastengesellschaft die Bauleistungen nicht erbracht haben sollte.

Hintergrund: Werden an einen
Unternehmer Bauleistungen erbracht, muss dieser grundsätzlich eine
Bauabzugsteuer von 15 % einbehalten und an das Finanzamt abführen, es sei denn,
der leistende Bauunternehmer verfügt über eine Freistellungsbescheinigung, die
ihm auf Antrag erteilt wird, nachdem das Finanzamt geprüft hat, ob der
Bauunternehmer voraussichtlich seine steuerlichen Pflichten erfüllen wird.

Auf Verlangen des Finanzamts muss der Unternehmer nachweisen, wer
der Empfänger der von ihm geltend gemachten Zahlungen ist, sog.
Benennungsverlangen. Anderenfalls kann das Finanzamt den Betriebsausgabenabzug
versagen oder zumindest beschränken. Dies gilt nach dem Gesetzeswortlaut aber
nicht, wenn der Unternehmer Bauleistungen empfangen hat und hierfür die
Bauabzugsteuer einbehalten und abgeführt hat.

Streitfall: Die Klägerin war
eine GmbH & Co. KG, die im Baubereich tätig war. Sie erhielt Rechnungen von
britischen Subunternehmen und leistete im Streitjahr 2002 Zahlungen an diese in
Höhe von ca. 950.000 €. Bei allen britischen Subunternehmen handelte es
sich um wirtschaftlich nicht aktive Briefkastengesellschaften. Die Klägerin
behielt von den Zahlungen die Bauabzugsteuer von 15 % ein und führte diese an
das Finanzamt ab. Das Finanzamt richtete an die Klägerin ein
Benennungsverlangen und forderte sie auf, den tatsächlichen Empfänger der
Zahlungen zu benennen. Nachdem die Klägerin diesem Benennungsverlangen nicht
nachgekommen war, kürzte das Finanzamt den Betriebsausgabenabzug in Höhe von 70
%, so dass nur 30 % von 950.000 € als Betriebsausgaben anerkannt wurden.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Die Kürzung des Betriebsausgabenabzugs aufgrund eines nicht
    erfüllten Benennungsverlangens ist nach dem Gesetz nicht möglich, wenn der
    Unternehmer Bauleistungen als Betriebsausgaben geltend macht und auf die
    Bauleistungen Bauabzugsteuer einbehalten und
    abgeführt
    hat.

  • Dies gilt auch dann, wenn es sich bei demjenigen, der die
    Bauleistungen in Rechnung gestellt hat, um eine ausländische
    Briefkastengesellschaft handelt, die wirtschaftlich nicht aktiv ist. Der
    Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig.

  • Der Gesetzgeber hat bei der Einführung der Bauabzugsteuer
    gesehen, dass Bauleistungen von Scheinunternehmen oder
    Briefkastengesellschaften in Rechnung gestellt werden könnten, und auch
    insoweit die Einbehaltung und Abführung der Bauabzugsteuer angeordnet. Zugleich
    wollte der Gesetzgeber damit aber den Leistungsempfänger aus der Gefahr eines
    Benennungsverlangens herausnehmen.

Hinweise: Eine einschränkende
Auslegung des Gesetzes zulasten der Klägerin hat der BFH abgelehnt, da der
Gesetzeswortlaut Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des
Gesetzgebers ist. Gleichermaßen hat der BFH einen Verstoß gegen den
verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verneint. Empfänger von
Bauleistungen werden nicht gleichheitswidrig bevorzugt, da sie die
Bauabzugsteuer einbehalten und abführen müssen.

Auf zwei Fragen ist der BFH nicht eingegangen: Wenn die
ausländischen Briefkastengesellschaften wirtschaftlich nicht aktiv waren, warum
sind dann die Zahlungen an sie betrieblich veranlasst und damit
Betriebsausgaben? Sind die in Rechnung gestellten Bauleistungen überhaupt
– und zwar von einem anderen Unternehmer – erbracht
worden?

Quelle: BFH, Urteil v. 9.6.2022
– IV R 4/20; NWB