Der Betrieb eines Flüchtlingsheims ist grundsätzlich
		umsatzsteuerfrei, auch wenn Leistungsempfänger nicht der Flüchtling, sondern
		das Bundesland oder die Kommune ist. Die Umsatzsteuerbefreiung folgt aus dem
		europäischen Mehrwertsteuerrecht, das Dienstleistungen, die eng mit der
		Sozialfürsorge und sozialen Sicherheit verbunden sind und die von einer als
		sozial anerkannten Einrichtung erbracht werden, umsatzsteuerfrei stellt.
		
Hintergrund: Das deutsche
		Umsatzsteuerrecht behandelt verschiedene soziale Leistungen als
		umsatzsteuerfrei, z.B. Leistungen von Betreuungs- oder Pflegeeinrichtungen für
		körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftige Personen oder Leistungen
		eines amtlich anerkannten Verbands der freien Wohlfahrtspflege. Das europäische
		Mehrwertsteuerrecht geht über diese Befreiungen hinaus und gewährt eine
		Umsatzsteuerfreiheit für Dienstleistungen, die eng mit der Sozialfürsorge und
		sozialen Sicherheit verbunden sind und die von einer als sozial anerkannten
		Einrichtung erbracht werden.
Sachverhalt: Die Klägerin war
		eine nicht gemeinnützige GmbH, die im Streitjahr 2014 eine Vielzahl von
		Flüchtlings-, Aussiedler- und Obdachlosenheimen in verschiedenen Bundesländern
		betrieb und sich u.a. um die Unterbringung, Verpflegung, Gesundheit und
		Sicherheit kümmerte. Den jeweiligen Betreibervertrag hatte sie mit dem
		öffentlichen Träger, z.B. dem Bundesland oder dem Landkreis, geschlossen. Sie
		erhielt von den Trägern Entgelte, die sie nicht der Umsatzsteuer unterwarf. Das
		Finanzamt behandelte die Umsätze hingegen als umsatzsteuerpflichtig. 
Entscheidung: Der
		Bundesfinanzhof (BFH) ging zwar von einer grundsätzlichen Umsatzsteuerfreiheit
		aus, verwies die Sache aber zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG)
		zurück: 
Nach deutschem Umsatzsteuerrecht hat die Klägerin keine
		umsatzsteuerfreien Umsätze getätigt: 
- 
Es handelte sich nicht um umsatzsteuerfreie
Vermietungsleistungen, da die Klägerin die Grundstücke nicht an den Träger
vermietete und auch mit den Flüchtlingen, Aussiedlern und Obdachlosen keinen
Vermietungsvertrag geschlossen hatte. - 
Ebenso wenig lagen umsatzsteuerfreie Leistungen einer
Betreuungs- oder Pflegeeinrichtung vor; denn die Bewohner waren weder krank
noch behindert oder von einer Behinderung bedroht. - 
Schließlich konnte sich die Klägerin auch nicht auf die
Umsatzsteuerfreiheit für Leistungen der Wohlfahrtspflege berufen, da sie weder
ein amtlich anerkannter Verband der Wohlfahrtspflege war noch einem solchen
Verband als Mitglied angeschlossen war. 
 Für die Leistungen der Klägerin greift aber die europäische
		Umsatzsteuerbefreiung für Dienstleistungen, die eng mit der Sozialfürsorge und
		sozialen Sicherheit verbunden sind und die von einer als sozial anerkannten
		Einrichtung erbracht werden: 
- 
Zu den Dienstleistungen, die eng mit der Sozialfürsorge oder
der sozialen Sicherheit verbunden sind, gehört die Betreuung von Flüchtlingen,
da sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können und auch nicht
arbeiten dürfen. Dies gilt auch für Obdachlose, die ebenfalls wirtschaftlich
hilfsbedürftig sind. Auch die Leistungen, die den Aussiedlern zugutekommen,
können eng mit der Sozialfürsorge verbunden sein, selbst wenn sie deutsche
Staats- oder Volksangehörige sind und nicht Schutz vor Verfolgung suchen. - 
Die Klägerin war eine als sozial anerkannte Einrichtung. Sie
setzte nämlich die Vorgaben der Regelungen über die Flüchtlingsaufnahme um,
wurde im Gemeinwohl tätig, und die Kosten wurden von der öffentlichen Hand
getragen. Unbeachtlich ist, dass die Klägerin nicht gemeinnützig war. Es kommt
ferner auch nicht darauf an, dass die Klägerin ihre Leistungen nicht
unmittelbar gegenüber den Flüchtlingen erbracht hat, da sie mit diesen keinen
Vertrag geschlossen hatte. 
Hinweise: Hinsichtlich einzelner
		Einrichtungen war der Sachverhalt noch nicht aufgeklärt, so dass der BFH nicht
		abschließend über den Fall entscheiden konnte. Diese Aufklärung muss nun das FG
		nachholen. Dabei geht es z.B. um die Frage, ob die Aussiedler und
		Spätaussiedler tatsächlich wirtschaftlich hilfsbedürftig waren. 
Gemeinnützige Betreiber von Flüchtlingsheimen erhalten die
		Umsatzsteuerfreiheit nach deutschem Recht, weil die Finanzverwaltung
		entsprechende Erlasse veröffentlicht hat. Nach dem BFH widerspräche es dem
		Neutralitätsprinzip, wenn man den nicht gemeinnützigen Einrichtungen wie der
		Klägerin die Umsatzsteuerfreiheit nicht gewähren würde. 
BFH, Urteil v. 24.3.2021 – V R 1/19; NWB
					
												
Neueste Kommentare