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Der Verlust aus der Auflösung einer GmbH, den ein mit mindestens 1
% beteiligter Gesellschafter in seiner Einkommensteuererklärung geltend machen
kann, entsteht nicht schon in dem Jahr, in dem der Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens gestellt wird, sondern grundsätzlich erst mit dem Abschluss
der Liquidation der GmbH und nur ausnahmsweise bereits dann, wenn der Antrag
auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird.

Hintergrund: Zu den Einkünften
aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn bzw. Verlust aus der Veräußerung oder
Aufgabe einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter
in den letzten fünf Jahren mit mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft
beteiligt war. Ein Gewinn bzw. Verlust wirkt sich nach dem sog.
Teileinkünfteverfahren zu 60 % aus.

Streitfall: Der M war
Alleingesellschafter der M-GmbH. Die M-GmbH beantragte im Dezember 2014 die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dieser Antrag wurde vom Insolvenzgericht im
Februar 2015 mangels Masse abgelehnt. Im April 2015 wurde über das Vermögen des
M das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter
bestellt. Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom Dezember 2015 die
Einkommensteuer für M fest und gab den Bescheid dem Kläger als
Insolvenzverwalter bekannt; in dem Bescheid wurde zwar eine Einkommensteuer von
ca. 29.000 € festgesetzt, aber unter Anrechnung von Lohn- und
Kapitalertragsteuer ergab sich eine Erstattung von ca. 2.500 €. Den
geltend gemachten Auflösungsverlust berücksichtigte das Finanzamt in dem
Bescheid nicht.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof wies die Klage des Insolvenzverwalters ab:

  • Ein Auflösungsverlust kann bei einem mit mindestens 1 %
    beteiligten Gesellschafter erst dann berücksichtigt werden, wenn der Verlust
    feststeht und sicher ist, dass das Gesellschaftsvermögen nicht mehr an die
    Gesellschafter zurückgezahlt wird.

  • Wird die GmbH liquidiert, kommt es grundsätzlich auf den
    Abschluss der Liquidation an. Ausnahmsweise kommt auch ein früherer Zeitpunkt
    in Betracht, wenn z.B. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse
    abgelehnt wird oder wenn aus anderen Gründen feststeht, dass die GmbH bereits
    im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war.

  • Im Streitfall ist die M-GmbH im Streitjahr 2014 noch nicht
    aufgelöst worden. Es ist lediglich der Antrag auf Eröffnung des
    Insolvenzverfahrens gestellt worden. Die Berücksichtigung eines
    Auflösungsverlustes setzt aber die Auflösung der GmbH voraus. Selbst wenn die
    M-GmbH im Jahr 2014 aufgelöst worden wäre, hätte der Auflösungsverlust erst im
    Jahr 2015 mit der Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
    mangels Masse festgestanden.

  • Im Übrigen durfte das Finanzamt trotz des Insolvenzverfahrens
    über das Vermögen des M einen Steuerbescheid gegen M erlassen und den Bescheid
    dem Kläger als Insolvenzverwalter bekannt geben. Denn der
    Einkommensteuerbescheid 2014 enthielt zwar eine Steuerfestsetzung; aufgrund der
    angerechneten Lohn- und Kapitalertragsteuer ergab sich aber eine Erstattung, so
    dass sich der Steuerbescheid auf das Insolvenzverfahren und auf die
    anzumeldenden Steuerforderungen des Finanzamts nicht auswirken
    konnte.

Hinweise: Der
Veranlagungszeitraum, in dem sich ein Auflösungsverlust auswirkt, ist oft nicht
sicher. In der Regel ist dies zwar das Jahr, in dem die Liquidation
abgeschlossen wird. Es sind aber auch Ausnahmen denkbar, in denen schon vorher
der Verlust feststeht. Ein Wahlrecht des GmbH-Gesellschafters, sich einen der
in Betracht kommenden Veranlagungszeiträume auszusuchen, besteht nicht. Daher
empfiehlt es sich, auch die Bescheide für die anderen in Betracht kommenden
Veranlagungszeiträume durch einen Einspruch offenzuhalten.

Quelle: BFH, Urteil v. 5.4.2022
– IX R 27/18; NWB