Die Vererbung von Privatvermögen im Zeitraum vom 1.7.2016 bis
		4.11.2016 unterliegt der Erbschaftsteuer. Soweit das Bundesverfassungsgericht
		(BVerfG) im Jahr 2014 das damalige Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig
		erklärt hat und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung bis zum 30.6.2016
		aufgefordert hatte, die tatsächlich aber erst am 4.11.2016 mit Rückwirkung zum
		1.7.2016 erfolgt ist, betraf dies nur die steuerlichen Begünstigungen für das
		Betriebsvermögen, nicht aber das Privatvermögen. 
Hintergrund: Das BVerfG hatte im
		Jahr 2014 das damals gültige Erbschaftsteuergesetz wegen der zu großen
		Begünstigung von Betriebsvermögen als verfassungswidrig angesehen, jedoch eine
		sog. Fortgeltungsanordnung ausgesprochen. Danach sollte das bisherige Recht bis
		zu einer Neuregelung weiter anwendbar sein. Daneben verpflichtete das BVerfG
		den Gesetzgeber, bis zum 30.6.2016 eine Neuregelung zu treffen. Der Gesetzgeber
		hat das neue Gesetz in der Folgezeit erst am 4.11.2016 beschlossen und seine
		Rückwirkung ab dem 1.7.2016 angeordnet.
Sachverhalt: Die Klägerin war
		Alleinerbin ihrer am 28.8.2016 verstorbenen Tante und erbte Geld. Das Finanzamt
		setzte Erbschaftsteuer fest. Die Klägerin war der Auffassung, dass es am
		28.8.2016 kein wirksames Erbschaftsteuergesetz gab, weil das alte Gesetz nur
		bis zum 30.6.2016 galt und das neue erst am 4.11.2016 in Kraft trat und die
		angeordnete Rückwirkung zum 1.7.2016 verfassungswidrig sei. 
Entscheidung: Der
		Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab: 
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Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des alten 
 Erbschaftsteuergesetzes durch das BVerfG führte nicht zu seiner Unanwendbarkeit
 bis zum 4.11.2016. Vielmehr war das alte Erbschaftsteuergesetz bis zum
 4.11.2016 anwendbar, soweit es die Vererbung von Privatvermögen wie Geld
 betraf.
- 
Aus dem Urteilsspruch des BVerfG zum alten 
 Erbschaftsteuergesetz ergibt sich, dass das bisherige Gesetz bis zu einer
 Neuregelung weiter anwendbar sein sollte; die Neuregelung kam erst am
 4.11.2016. Eine darüber hinaus gehende Befristung enthielt das Urteil des
 BVerfG nicht.
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Die an den Gesetzgeber gerichtete Verpflichtung, eine 
 Neuregelung bis zum 30.6.2016 zu erlassen, ändert nichts daran, dass selbst bei
 Nichteinhaltung dieser Frist das bisherige Recht für das Privatvermögen
 weitergelten würde. Unbeachtlich ist, dass das BVerfG für den Fall einer
 Versäumnis dieser Frist keine Sanktionen angeordnet hatte.
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Die Neuregelung vom 4.11.2016 und die damit verbundene 
 Rückwirkung betraf nur das Betriebsvermögen, nicht aber das Privatvermögen, um
 das es im Streitfall ging.
Hinweise: Der Urteilsspruch des
		BVerfG zur Verfassungswidrigkeit war misslungen und führte zu großer
		Rechtsunsicherheit. Denn es war nicht klar, was passieren würde, wenn der
		Gesetzgeber – wie dann tatsächlich auch geschehen – die Frist zum
		Erlass einer neuen Regelung nicht einhalten würde. Das BVerfG sah sich dann im
		Juli 2016, also kurz nach Ablauf der Frist, gezwungen, eine Pressemitteilung
		herauszugeben, in dem es unter Hinweis auf ein Schreiben des Vorsitzenden
		Richters des BVerfG-Senats darauf hinwies, dass es nach dem Sommer die
		Handlungsmöglichkeiten prüfen werde, z.B. den Erlass einer
		Vollstreckungsanordnung. 
Der BFH erspart dem BVerfG jetzt die Peinlichkeit, im Bereich des
		Privatvermögens unfreiwillig für eine sog. Erbschaftsteuerpause gesorgt zu
		haben. Jedenfalls bei der Vererbung und Verschenkung von Privatvermögen gilt
		das bisherige Erbschaftsteuergesetz bis zum 4.11.2016 weiter. Eine
		verfassungsrechtliche Problematik infolge der Rückwirkung im Zeitraum vom
		1.7.2016 bis zum 4.11.2016 kann sich nur bei der Vererbung oder Verschenkung
		von Betriebsvermögen ergeben. 
Von einer erneuten Vorlage an das BVerfG sieht der BFH in seinem
		aktuellen Urteil ab. Zwar gilt nach Auffassung des BFH eine „nach wie
		vor sehr großzügige Begünstigung des Betriebsvermögens“; diese führt aber
		nicht zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung des Privatvermögens.
		Offengelassen hat der BFH, ob einzelne Normen der Neuregelung, soweit sie die
		steuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen betreffen, gegen das
		rechtsstaatliche Gebot der Bestimmtheit und Klarheit verstoßen; denn auch dies
		würde nicht das hier streitige Privatvermögen betreffen. 
BFH, Urteil v. 6.5.2021 – II R 1/19; NWB
 
					 
												
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