Hat der Erblasser Kapitaleinkünfte
hinterzogen und wusste der Erbe hiervon, muss der Erbe nach dem Tod des
Erblassers die fehlerhaften Steuererklärungen des Erblassers unverzüglich
berichtigen. Unterlässt der Erbe dies, begeht er eine Steuerhinterziehung.
Aufgrund dieser Steuerhinterziehung kommt es dann zu einer Ablaufhemmung, die
so lange andauert, wie der Erbe wegen seiner eigenen Steuerhinterziehung
strafrechtlich verfolgt werden kann.

Hintergrund:
Grundsätzlich beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre, bei Steuerhinterziehung
zehn Jahre. In bestimmten Fällen wird der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt;
so endet im Fall einer Steuerhinterziehung die Festsetzungsfrist nicht, bevor
die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt
ist.

Wird eine Steuererklärung
fehlerhaft abgegeben, ist der Steuerpflichtige zu einer unverzüglichen Anzeige
und Berichtigung verpflichtet, sobald er den Fehler bemerkt. Unterlässt er
dies, kann dies ebenfalls eine Steuerhinterziehung darstellen.

Sachverhalt: Die
Klägerinnen sind Schwestern, deren Vater V 2007 verstarb. V hatte seit 1980
Kapitalerträge aus einer Stiftung in Liechtenstein in jährlich sechsstelliger
Höhe hinterzogen; die Klägerinnen hatten hiervon bereits zu Lebzeiten des V
Kenntnis. V hatte seine Einkommensteuererklärung für 1995 im Jahr 1997
abgegeben; die Erklärungen für die Folgejahre hatte er ebenfalls im jeweils
übernächsten Jahr abgegeben. Im Jahr 2014 reichten die Klägerinnen eine
Selbstanzeige für die Jahre ab 2002 ein und erklärten die Kapitalerträge aus
Liechtenstein nach; für die Streitjahre 1995 bis 2001 gaben die Klägerinnen
aber keine Selbstanzeige ab. Das Finanzamt erließ im Dezember 2016
Änderungsbescheide für die Streitjahre 1995 bis 2001. Die Klägerinnen machten
den Eintritt der Festsetzungsverjährung geltend.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

Als Erben ihres Vaters schulden
die Klägerinnen die Einkommensteuer des V für 1995 bis 2001.

Die Bescheide für 1995 bis 2001
durften wegen neuer Tatsachen geändert werden. Denn das Finanzamt hat erst
nachträglich davon erfahren, dass V in den Streitjahren Kapitalerträge aus
einer Stiftung in Liechtenstein erzielt hat.

Die Festsetzungsverjährung für
1995 bis 2001 war im Jahr 2016 noch nicht eingetreten, auch wenn die
Festsetzungsfrist für 1995 an sich am 31.12.2007 geendet hatte. Für den V
betrug die Festsetzungsfrist zehn Jahre, da er eine Steuerhinterziehung
begangen hatte. Die Festsetzungsfrist für 1995 begann daher mit Ablauf des
31.12.1997 (Abgabe der Steuererklärung im Jahr 1997) und endete an sich am
31.12.2007. Die Festsetzungsfrist für die Folgejahre lief entsprechend später
ab, z. B. zum 31.12.2012 für 2001.

Zwar führte die unterlassene
Berichtigung der fehlerhaften Steuererklärungen des V nicht zu einer erneuten
zehnjährigen Festsetzungsfrist, obwohl die Klägerinnen damit eine eigene
Steuerhinterziehung begangen haben. Zu einer Fristverlängerung auf zehn Jahre
kommt es beim Erben nur dann, wenn die Frist aufgrund einer Steuerhinterziehung
erstmalig verlängert wird; im Streitfall war die Frist aber schon wegen der
Steuerhinterziehung des V auf zehn Jahre verlängert worden.

Im Streitfall war der
Ablauf der Festsetzungsfrist jedoch gehemmt,
da es sich um eine Steuerhinterziehung der Klägerinnen handelte und die
Verfolgung ihrer Steuerstraftaten noch nicht verjährt war.

  • Die Klägerinnen hätten nach
    dem Tod des V unverzüglich dessen Steuererklärungen berichtigen müssen. Diese
    Berichtigungspflicht entfiel nicht deshalb, weil die Klägerinnen bereits vor
    dem Tod des V Kenntnis davon hatten, dass V unrichtige Steuererklärungen
    abgegeben hatte.

  • Das Finanzamt hätte bei
    unverzüglicher Berichtigung noch im Jahr 2007 bis zum 31.12.2007 (Ablauf der
    zehnjährigen Frist) einen Änderungsbescheid für 1995 erlassen können.

  • Im Dezember 2016 war die
    strafrechtliche Verfolgung der Steuerhinterziehung der Klägerinnen aufgrund
    ihrer unterlassenen Berichtigung noch nicht verjährt. Denn die strafrechtliche
    Verfolgungsfrist betrug in einem schweren Fall wie hier zehn Jahre. Da das
    Unterlassen im Jahr 2007 erfolgt war, war im Dezember 2016 noch keine
    strafrechtliche Verjährung eingetreten; daher war auch die steuerliche
    Festsetzungsfrist noch gehemmt.

Hinweis: Die hier
einschlägige gesetzliche Ablaufhemmung wegen strafrechtlicher Verfolgbarkeit
der Steuerhinterziehung soll verhindern, dass eine Steuerhinterziehung
strafrechtlich noch verfolgt werden kann, die hinterzogene Steuer aber wegen
Festsetzungsverjährung nicht mehr festgesetzt werden darf. Der Gesetzgeber will
die Festsetzung der hinterzogenen Steuer so lange ermöglichen, wie eine
Bestrafung noch möglich ist.

Das BFH-Urteil erhöht den Druck auf
Erben, die Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Steuererklärungen des
Erblassers haben, unverzüglich Berichtigungsanzeigen zu stellen.

Quelle: BFH, Urteil v.
21.6.2022 – VIII R 26/19; NWB