Eine Organgesellschaft haftet für die Steuern des Organträgers
nicht nur dann, wenn die Steuern während der Dauer der Organschaft entstanden
sind, sondern auch, wenn die Steuern während der Dauer der Organschaft
verursacht worden sind.

Hintergrund: Mehrere Unternehmen
können eine umsatzsteuerliche Organschaft begründen, indem eine
Kapitalgesellschaft als Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und
organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert wird. Die
Umsätze der eingegliederten Organgesellschaft werden dann dem Organträger
zugerechnet, der sie versteuern und die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen
muss. Der Organträger macht auch die Vorsteuer aus den Eingangsleistungen der
Organgesellschaft geltend. Nach dem Gesetz haftet eine Organgesellschaft für
solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen
steuerlich von Bedeutung ist.

Streitfall: Zwischen der X-GmbH
als Organgesellschaft und der A-GmbH als Organträger bestand eine
umsatzsteuerliche Organschaft, so dass die A-GmbH die Umsätze der X-GmbH
versteuerte und die Vorsteuern aus den Eingangsleistungen der X-GmbH geltend
machte. Am 27.3.2014 wurde über das Vermögen der X-GmbH ein vorläufiger
Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt bestellt, so dass die
umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der X-GmbH und der A-GmbH endete. Die
A-GmbH bezahlte die Umsatzsteuer für März 2014 nicht mehr. Das Finanzamt
behandelte daraufhin die X-GmbH als Haftungsschuldnerin und meldete die
Haftungsforderung zur Insolvenztabelle an. Nachdem der Insolvenzverwalter
dieser Anmeldung widersprochen hatte, erließ das Finanzamt einen
Feststellungsbescheid, gegen den der Insolvenzverwalter klagte.

Entscheidung: Der BFH verwies
die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:

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    Die Haftung einer Organgesellschaft für die Steuern des
    Organträgers setzt nicht voraus, dass die Steuern während des Bestehens der
    Organschaft entstanden sind. Eine Haftung wäre dann nicht zu bejahen, da die
    Umsatzsteuer für März 2014 erst mit Ablauf des 31.3.2014 entstanden ist,
    während die Organschaft bereits am 27.3.2014 geendet hat. Denn aufgrund der
    Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt waren
    Verfügungen der X-GmbH über ihr Vermögen nur noch mit Zustimmung des
    vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam. Die A-GmbH als bisheriger Organträger
    hatte daher organisatorisch keinen Zugriff mehr auf die X-GmbH.

  • Es genügt vielmehr, wenn die Steuern während der Dauer der
    Organschaft verursacht worden sind. Denn nach dem Sinn und Zweck der
    Haftungsregelung umfasst die Steuer, die der Organträger zahlen muss, auch die
    Beträge, die ohne diese Organschaft von der Organgesellschaft, d.h. der X-GmbH,
    geschuldet worden wären.

  • Das FG muss nun ermitteln, inwieweit in der
    Umsatzsteuervoranmeldung für März 2014 Umsatzsteuern und
    Vorsteuerberichtigungsansprüche enthalten sind, die den Organkreis, der aus der
    X-GmbH und der A-GmbH bestand, betreffen. Dies ist insbesondere die
    Umsatzsteuer auf Lieferungen und sonstige Leistungen, die während des Bestehens
    der umsatzsteuerlichen Organschaft ausgeführt worden sind, d.h. bis zum
    27.3.2014. Außerdem erfasst die Haftung die Berichtigung der Vorsteuer aus
    Rechnungsbeträgen, die aufgrund der Bestellung des vorläufigen
    Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt als uneinbringlich
    gelten, weil die Organgesellschaft die entsprechenden Rechnungen nicht bezahlt
    hat.

Hinweis: Durch die Organschaft
ist der Organträger für die Bezahlung der Umsatzsteuer zuständig geworden.
Kommt der Organträger dieser Pflicht nicht nach, kann das Finanzamt einen
Haftungsbescheid gegen die Organgesellschaft erlassen. Die Haftungsregelung zur
Organschaft soll also die steuerlichen Risiken ausgleichen, die sich aus einer
Zahlungsunfähigkeit des Organträgers ergeben. Die Haftung gilt aber nicht für
die eigene Umsatzsteuer des Organträgers ab der Beendigung der Organschaft, im
Streitfall also ab dem 28.3.2014.

Quelle: BFH, Urteil v. 5.4.2022
– VII R 18/21; NWB