Bei einer Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des
Steuerpflichtigen sind Säumniszuschläge, die wegen der verspäteten Zahlung von
Steuern entstanden sind, nicht vollständig zu erlassen. Vielmehr kommt in der
Regel nur ein Erlass der Hälfte der Säumniszuschläge in Betracht.

Hintergrund: Säumniszuschläge
werden kraft Gesetzes verwirkt, wenn die Steuer erst nach Fälligkeit gezahlt
wird. Pro Monat der Säumnis entstehen 1 % des offenen Steuerbetrags.

Sachverhalt: Der Kläger war seit
2018 Insolvenzverwalter über das Vermögen des A, der seit 2007 zahlungsunfähig
war. Das Finanzamt hatte gegen A Forderungen in Höhe von insgesamt ca. 3,5 Mio.
€; hiervon entfielen ca. 1,5 Mio. € auf Säumniszuschläge für
Steuern, die zwischen Dezember 2007 und 2011 fällig geworden waren. Der Wert
der Insolvenzmasse belief sich auf ca. 50.000 €. Im Juli 2021 beantragte
der Kläger den Erlass der gesamten Säumniszuschläge; das Finanzamt erließ
jedoch nur die Hälfte der Säumniszuschläge, also ca. 750.000 €.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage, die auf Erlass der verbleibenden
Säumniszuschläge gerichtet war, ab:

  • Säumniszuschläge sind zum einen
    Druckmittel, um den Steuerpflichtigen zur
    pünktlichen Zahlung zu bewegen. Zum anderen stellen sie aber auch eine
    Gegenleistung für das Hinausschieben der
    Zahlung
    dar, und sie dienen auch der
    Abgeltung der Verwaltungskosten, die auf
    Grund der nicht pünktlichen Zahlung entstehen.

  • Ist der Steuerpflichtige überschuldet und zahlungsunfähig,
    geht die Funktion als Druckmittel verloren; denn der Steuerpflichtige kann gar
    nicht zahlen. Daher ist ein teilweiser Erlass der Säumniszuschläge geboten.
    Nach der Rechtsprechung des BFH kommt insoweit ein hälftiger Erlass der
    Säumniszuschläge in Betracht.

  • Ein darüber hinaus gehender Erlass ist nicht geboten. Denn die
    beiden weiteren Funktionen des Säumniszuschlags bleiben im Fall der
    Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit erhalten, nämlich die Funktion als
    Gegenleistung sowie als Ersatz von Verwaltungskosten. Zwar lässt sich der
    genaue Anteil der Säumniszuschläge, der auf die Gegenleistung und auf den
    Verwaltungskostenersatz entfällt, nicht beziffern; es bleibt aber bei den
    Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung, dass im Fall der Überschuldung und
    Zahlungsunfähigkeit nur die Hälfte der Säumniszuschläge zu erlassen
    ist.

  • Der vom Kläger angestrebte vollständige Erlass wäre nur dann
    möglich, wenn es zusätzliche persönliche oder sachliche Billigkeitsgründe gäbe.
    Andere sachliche Billigkeitsgründe sind nicht erkennbar. Und ein Erlass wegen
    persönlicher Billigkeitsgründe ist ausgeschlossen, wenn sich der Erlass nicht
    zugunsten des Steuerpflichtigen, sondern nur zugunsten der anderen
    Insolvenzgläubiger auswirken würde. Dies wäre hier der Fall, weil von einem
    weitergehenden Erlass nur die übrigen Insolvenzgläubiger profitieren würden;
    denn es gab Insolvenzforderungen der übrigen Gläubiger in Höhe von ca. 2,2 Mio.
    €, während die Insolvenzmasse lediglich einen Wert in Höhe von ca.
    50.000 € aufwies.

Hinweise: Der BFH hat in einer
aktuellen Entscheidung, die die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der
Säumniszuschläge betraf, offen gelassen, in welchem prozentualen Verhältnis die
drei Zwecke des Säumniszuschlags zueinander stehen (Druckmittel, Gegenleistung,
Verwaltungskostenersatz). Der Kläger hatte daher gehofft, dass das
Finanzgericht den Anteil des Druckmittels höher als 50 % ansetzt und insoweit
einen Erlass ausspricht. Das Finanzgericht hält jedoch an der bisherigen
Rechtsprechung, die den Erlass von Säumniszuschlägen betrifft, fest und sieht
deshalb nur einen hälftigen Erlass als geboten an.

Der BFH vertritt bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der
Säumniszuschläge die Auffassung, dass sie verfassungskonform sind. Im Gegensatz
zu Nachzahlungszinsen, die nur 1,8 % pro Jahr betragen, belaufen sich
Säumniszuschläge auf immerhin 12 % pro Jahr.

Quelle: Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 31.3.2025 – 3 K
161/23; NWB