Ein Steuerberater, der ab dem 1.1.2023 für seinen Mandanten Klage
beim Finanzgericht erheben wollte, war bis zum Erhalt des Registrierungsbriefs
für die Registrierung im „besonderen elektronischen
Steuerberaterpostfach“ („beSt“) nicht verpflichtet, die
Klage über das „beSt“ einzureichen, sondern konnte diese auch auf
herkömmlichem Wege, wie z.B per Post oder Telefax, einreichen. Insbesondere war
der Steuerberater nicht gehalten, die Möglichkeit einer vorzeitigen Beantragung
eines Registrierungsbriefs (im sog. Fast-Lane-Verfahren) zu nutzen.

Hintergrund: Seit dem 1.1.2023
müssen Steuerberater ihre Klagen und Anträge für ihre Mandanten beim
Finanzgericht nach dem Gesetzeswortlaut über das „besondere
elektronische Steuerberaterpostfach“ („beSt“) einreichen.
Hierzu mussten sie sich im „beSt“ registrieren lassen. Allerdings
verzögerte sich die Registrierung. Die Bundessteuerberaterkammer teilte daher
bereits im Herbst 2022 mit, dass die Registrierungsbriefe nicht vollständig bis
zum 31.12.2022 versendet werden können. Sie wies zugleich darauf hin, dass die
Möglichkeit einer vorzeitigen Beantragung eines Registrierungsbriefs im sog.
Fast-Lane-Verfahren bestehe; dies sei allerdings freiwillig. Erst im März 2023
war die Registrierung vollständig abgeschlossen.

Sachverhalt: Eine
Steuerberaterin erhob für einen Mandanten, den Beschwerdeführer, am 16.1.2023
beim Finanzgericht Klage per Post. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch keinen
Registrierungsbrief für das „beSt“ erhalten; sie hatte sich auch
nicht für die Teilnahme am sog. Fast-Lane-Verfahren entschieden. Das
Finanzgericht wies die Klage als unzulässig ab, weil sie nicht elektronisch
über das „beSt“ erhoben, sondern auf dem Postweg eingereicht
worden war. Hiergegen legte die Steuerberaterin im Namen des Mandanten
Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) ein, die ebenfalls
zurückgewiesen wurde. Nach einer Anhörungsrüge beim BFH erhob die
Steuerberaterin für ihren Mandanten Verfassungsbeschwerde beim
Bundesverfassungsgericht (BVerfG).

Entscheidung: Das BVerfG gab der
Verfassungsbeschwerde statt:

  • Das Urteil des FG verletzt den Mandanten in seinem
    verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz.

  • Das Gebot auf effektiven Rechtsschutz garantiert jedem Bürger
    den Zugang zu den Gerichten sowie die Wirksamkeit des Rechtsschutzes. Daher
    darf der Zugang zu den Gerichten nicht unzumutbar erschwert und die an den
    Gerichtszugang zu stellenden Anforderungen nicht überspannt werden.

  • Im Streitfall kam es zum Jahreswechsel 2022/2023 zu einer
    komplexen Übergangssituation, weil einerseits ab dem 1.1.2023 eine Pflicht zur
    Nutzung des „beSt“ bestand, andererseits aber das Verfahren für
    die Registrierung für das „beSt“ noch nicht abgeschlossen war.
    Zudem hatte die Bundessteuerberaterkammer darauf hingewiesen, dass die
    Nutzungspflicht für das „beSt“ erst mit dem Erhalt des
    Registrierungsbriefs beginne. Das sog. Fast-Lane-Angebot wurde von der
    Bundessteuerberaterkammer als „freiwillig“ bezeichnet, so dass
    sich der einzelne Steuerberater zur Nutzung dieser Möglichkeit nicht
    verpflichtet fühlen musste.

  • Zudem hat der BFH den Anspruch des Mandanten auf rechtliches
    Gehör verletzt. Das FG hat die Klage nämlich als unzulässig abgewiesen und sich
    daher nicht mit der Klagebegründung auseinandergesetzt.

Hinweise: Das BVerfG hat nun
sowohl das Urteil des FG als auch den Beschluss des BFH aufgehoben und die
Sache an das FG zur Fortsetzung des Verfahrens zurückverwiesen. Dem BVerfG
zufolge hätte das FG den von dem Mandanten gestellten Antrag auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mit der gegebenen Begründung
ablehnen dürfen.

Das FG muss nun also prüfen, ob die Steuerberaterin ohne
Verschulden verhindert war, die Klage elektronisch über das „beSt“
einzureichen. Angesichts der sehr deutlichen Ausführungen des BVerfG wird das
FG dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraussichtlich
stattgeben und muss dann über die eigentliche Begründung der Klage entscheiden.

Offen gelassen hat das BVerfG die Frage, ob auch das FG den
Anspruch des Mandanten auf rechtliches Gehör verletzt hat. Ebenso ließ das
BVerfG offen, ob die zugrunde liegenden Rechtsvorschriften, die für die Nutzung
des „beSt“ maßgeblich sind, wirksam erlassen worden sind.

Quelle: BVerfG, Beschluss vom 23.6.2025 – 1 BvR 1718/24;
NWB