Eine Anteilsübertragung kann aufgrund eines Wegfalls der
Geschäftsgrundlage rückgängig gemacht werden, so dass auch der Gewinn aus der
Anteilsübertragung nicht mehr versteuert werden muss. Ein Wegfall der
Geschäftsgrundlage kann anzunehmen sein, wenn beide Vertragspartner davon
ausgegangen sind, dass die Anteilsübertragung keine Einkommensteuer auslöst,
und die Vertragspartner zusammenveranlagt werden, also beide die
Einkommensteuer schulden.

Hintergrund: Wer in den letzten
fünf Jahren mit mindestens 1 % an einer Kapitalgesellschaft beteiligt war und
die Anteile mit Gewinn verkauft, muss den Gewinn als gewerbliche Einkünfte
versteuern. Der Gewinn ist nach dem sog. Teileinkünfteverfahren zu 60 %
steuerpflichtig.

Sachverhalt: Die Kläger waren
Eheleute. Der Kläger (Ehemann) war zu 50 % an einer GmbH beteiligt. Die Kläger
beschlossen, die Gütertrennung zu vereinbaren. Der hierdurch entstehende
Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau sollte durch die Übertragung der
GmbH-Anteile und im Übrigen durch eine Barzahlung erfüllt werden. Nach der
schriftlich erteilten Auskunft ihres Steuerberaters sollte die Übertragung der
GmbH-Anteile einkommensteuerlich unschädlich sein. Tatsächlich erfasste das
Finanzamt aber einen Gewinn aus der Anteilsübertragung bei der Einkommensteuer.
Die Kläger machten daraufhin die Anteilsübertragung im Jahr 2020 rückgängig und
begründeten dies mit einem Wegfall der Geschäftsgrundlage, weil sie
irrtümlicherweise davon ausgegangen seien, dass die Anteilsübertragung keine
Einkommensteuer auslöse. Das Finanzamt hielt an der Steuerpflicht der
Anteilsübertragung für das Jahr 2019 fest.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Zwar war der Kläger in den letzten fünf Jahren vor der
    Anteilsübertragung auf seine Ehefrau im Jahr 2019 mit mindestens 1 % an der
    GmbH beteiligt; zudem wird eine Veräußerung von GmbH-Anteilen auch dann
    einkommensteuerlich erfasst, wenn die Übertragung der Anteile zur Erfüllung
    eines Ausgleichsanspruchs aufgrund der Beendigung des Güterstands der
    Zugewinngemeinschaft erfolgt.

  • Jedoch ist die Anteilsübertragung rückgängig gemacht worden,
    so dass der Veräußerungsgewinn rückwirkend
    entfallen
    ist. Diese Rückwirkung ergibt sich aus dem
    Wegfall der Geschäftsgrundlage.
    Zivilrechtlich kann nämlich eine Anpassung eines Vertrags geboten sein, wenn
    sich Umstände, die zur Vertragsgrundlage gehören, nach Vertragsschluss
    schwerwiegend verändert haben und die Vertragspartner den Vertrag nicht oder
    aber mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung
    vorhergesehen hätten; weitere Voraussetzung für die Anwendung des Grundsatzes
    der Wegfall der Geschäftsgrundlage ist, dass einem der Vertragspartner das
    Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dieser
    zivilrechtliche Grundsatz lässt sich auch auf das Steuerrecht übertragen, wenn
    der Grund für den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Rechtsgeschäft
    „angelegt“ ist.

  • Im Streitfall gehörte zur Geschäftsgrundlage der
    Anteilsübertragung, dass aus dieser keine einkommensteuerliche Belastung
    resultiert. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der
    Anteilsübertragung; die möglichen steuerlichen
    Folgen
    der Anteilsübertragung sind aber vor
    dem Vertragsschluss ausdrücklich erörtert
    worden. Die
    unerwartet entstandene steuerliche Belastung war auch für beide Vertragspartner
    – und nicht nur für den veräußernden Kläger – relevant, weil die
    Vertragspartner Eheleute waren und zusammenveranlagt wurden; die steuerliche
    Belastung traf daher beide Eheleute.

Hinweise: Zwar ist das Urteil
für die Kläger erfreulich, weil der BFH die steuerliche Rückwirkung der
Rückgängigmachung der Anteilsübertragung anerkannt hat. Dennoch hätte die
Entscheidung auch anders ausfallen können, weil sich der BFH im Wesentlichen
auf die Würdigung der Vorinstanz (Finanzgericht) gestützt hat. Je nach den
Umständen des Einzelfalls und der Würdigung durch das
Finanzgericht
kann sich daher auch ein anderes Ergebnis
bezüglich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergeben. So hätte es – wie
der BFH andeutet – für das Finanzgericht auch in Betracht kommen können,
die Kläger zu den Umständen des Abschlusses der Vereinbarung der Gütertrennung
zu befragen und sich Unterlagen vorlegen zu lassen. Die Beweislast für den
Wegfall einer Geschäftsgrundlage liegt nämlich beim Steuerpflichtigen.

Unbeachtlich ist, wann das Finanzamt von den Umständen, die zur
Geschäftsgrundlage geworden sind, Kenntnis erlangt hat.

Die Änderung des Steuerbescheids für 2019 zugunsten der Kläger war
verfahrensrechtlich kein Problem, da die Kläger den Bescheid fristgerecht
angefochten haben. Wäre der Bescheid bereits bestandskräftig gewesen, wäre
gleichwohl eine Änderung des Bescheids zugunsten der Kläger möglich gewesen;
denn nach dem Gesetz kann ein Bescheid aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses
geändert werden. Dieses rückwirkende Ereignis war in der Rückgängigmachung im
Jahr 2020 aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu sehen.

Quelle: BFH, Urteil vom 9.5.2025 – IX R 4/23;
NWB