Zwar stellt ein sog. Einbringungsgewinn II, der im Anschluss an
einen qualifizierten Anteilstausch entsteht, nach dem Gesetz ein rückwirkendes
Ereignis dar, so dass der Einkommensteuerbescheid des einbringenden
Gesellschafters aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses grundsätzlich geändert
werden kann. Diese Änderung setzt aber voraus, dass der Einbringungsgewinn II
erst nach Erlass des zu ändernden Einkommensteuerbescheids entstanden ist.

Hintergrund: Ein
Einbringungsgewinn II entsteht, wenn ein Gesellschafter einer
Kapitalgesellschaft seine Beteiligung in eine Kapitalgesellschaft zu einem Wert
unterhalb des gemeinen Wertes einbringt, also ohne Aufdeckung aller stillen
Reserven, die übernehmende Gesellschaft die Stimmrechtsmehrheit an der
eingebrachten Kapitalgesellschaft hat und anschließend die eingebrachte
Beteiligung innerhalb von sieben Jahren veräußert. Der einbringende
Gesellschafter wird dann rückwirkend so behandelt, als habe er seine
Beteiligung zum gemeinen Wert, also unter Aufdeckung aller stillen Reserven,
eingebracht, und muss einen sog. Einbringungsgewinn II versteuern. Nach dem
Gesetzeswortlaut gilt die Veräußerung als rückwirkendes Ereignis. Damit ist
grundsätzlich eine Änderung des Einkommensteuerbescheids aufgrund eines
rückwirkenden Ereignisses zulässig.

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Sachverhalt: Die Klägerin war
eine natürliche Person und alleinige Gesellschafterin der C-GmbH. Im Jahr 2007
brachte sie ihre Beteiligung in die B-GmbH ein, und zwar zu einem Wert
unterhalb des gemeinen Wertes. Außerdem brachte auch der D seine 100%ige
Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in die B-GmbH ein. Im August 2008
wurde die B-GmbH in die B-OHG und damit in eine Personengesellschaft im Wege
des Formwechsels umgewandelt, wobei die Buchwerte angesetzt wurden. Im
September 2008 wurde der Formwechsel im Handelsregister eingetragen. Am
16.4.2010 erließ das Finanzamt erstmalig einen Einkommensteuerbescheid
gegenüber der Klägerin, ohne dabei einen Einbringungsgewinn II zu
berücksichtigen. Am 18.7.2014 erließ das Finanzamt einen geänderten
Einkommensteuerbescheid und setzte nun den Einbringungsgewinn II an. Es sah in
dem Formwechsel der B-GmbH in die B-OHG eine Veräußerung der Beteiligung an der
C-GmbH innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist. Die Änderung stützte das
Finanzamt auf die Korrekturvorschrift für Änderungen aufgrund eines
rückwirkenden Ereignisses.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine Änderung aufgrund eines rückwirkenden
Ereignisses für rechtswidrig, verwies die Sache aber an das Finanzgericht (FG)
zur weiteren Prüfung zurück, damit dieses nun andere Korrekturvorschriften
prüfen kann:

  • Ein Einbringungsgewinn II ist entstanden. Die Umwandlung der
    B-GmbH in eine B-OHG ist als Veräußerung der Anteile an der C-GmbH durch die
    B-GmbH anzusehen. Ein Formwechsel ist nämlich tauschähnlich und damit ein
    Veräußerungsvorgang. Die Anteile an der C-GmbH stehen nach der formwechselnden
    Umwandlung der B-OHG zu und damit mittelbar den Gesellschaftern der B-OHG und
    nicht mehr der B-GmbH. Die Gesellschafter der B-OHG (die Klägerin und der D)
    verlieren zugleich ihre Beteiligung an der B-GmbH.

  • Zwar sieht der Gesetzgeber eine zum sog. Einbringungsgewinn II
    führende Veräußerung als rückwirkendes Ereignis an. Dies bedeutet aber nicht,
    dass damit auch eine Änderung des Bescheids zulässig ist. Vielmehr müssen die
    weiteren Voraussetzungen der Änderungsnorm erfüllt sein. Das bedeutet, dass die
    zum Einbringungsgewinn II führende Veräußerung nach dem Erlass des zu ändernden
    Bescheids entstanden sein muss. Ist sie hingegen vor dem Erlass des
    Steuerbescheids erfolgt, kann sie nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des
    Steuerbescheids zurückwirken.

  • Denkbar ist allerdings, dass das Finanzamt der Klägerin erst
    nach dem Erlass des Einkommensteuerbescheids vom 16.4.2010 von der
    formwechselnden Umwandlung in die B-OHG erfahren hat. In diesem Fall könnte es
    sich um eine neue Tatsache handeln, die ebenfalls zu einer Änderung des
    Bescheids berechtigen würde.

  • Das FG muss nun aufklären, wann das Finanzamt von der
    formwechselnden Umwandlung erfahren hat: vor Erlass des Bescheids vom
    16.4.2010, so dass eine Änderung des Einkommensteuerbescheids ebenfalls
    ausscheiden würde, oder erst nach dem Erlass des Bescheids vom 16.4.2010, so
    dass eine Änderung wegen neuer Tatsachen in Betracht kommen könnte.

Hinweise: Das BFH-Urteil ist für
Steuerpflichtige positiv, weil es die Änderung von Steuerbescheiden zu
Ungunsten der Steuerpflichtigen erschwert. Denn allein die Einstufung einer
Veräußerung als rückwirkendes Ereignis durch den Gesetzgeber führt nicht
zwingend zu einer Änderung des Bescheids.

Ein Einbringungsgewinn II ist zu versteuern, weil die übernehmende
Kapitalgesellschaft die eingebrachte Kapitalgesellschaftsbeteiligung zu
95 % steuerfrei veräußern kann, während der Gesellschafter nur eine
Steuerfreiheit von 40 % erhalten hätte. Deshalb muss die
Kapitalgesellschaft die eingebrachten Anteile sieben Jahre lang halten.
Veräußert sie vorher, werden die stillen Reserven ganz oder zeitanteilig beim
einbringenden Gesellschafter in Gestalt des Einbringungsgewinns II versteuert.
Für die Klägerin ist der Einbringungsgewinn „ärgerlich“, weil die Anteile nicht
zu 95 % steuerfrei verkauft wurden, sondern nach der formwechselnden Umwandlung
wieder dem sog. Teileinkünfteverfahren wie vor der Einbringung unterlagen und
zu 60 % steuerpflichtig waren. Dies rechtfertigt dem BFH zufolge aber keine
Ausnahme zugunsten der Klägerin, da die stillen Reserven an der C-GmbH und an
der von D eingebrachten Beteiligung gemischt und ausgetauscht wurden. Eine
Ausnahme kommt nach dem BFH daher nur bei Einpersonen-Kapitalgesellschaften in
Betracht, d.h. wenn an der B-GmbH nur die Klägerin beteiligt gewesen wäre.

BFH, Urteil vom 18.11.2020 – I R 25/18; NWB