Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss entscheiden, ob die
unentgeltliche Abgabe der mit einer Biogas-Anlage erzeugten Wärme an einen
anderen Unternehmer als unentgeltliche Wertabgabe (Entnahme) der Umsatzsteuer
unterliegt, wenn der mit der Biogas-Anlage erzeugte Strom gegen Entgelt in das
Stromnetz eingespeist wird und für die Herstellung der Anlage der
Vorsteuerabzug geltend gemacht worden ist. Aus Sicht des Bundesfinanzhofs
(BFH), der den EuGH jetzt angerufen hat, könnte die Besteuerung als
unentgeltliche Wertabgabe davon abhängig sein, ob der andere Unternehmer zum
Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Hintergrund: Eine
umsatzsteuerliche Entnahme liegt vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand aus
seinem Unternehmen für Zwecke verwendet, die außerhalb seines Unternehmens
liegen, z.B. für private Zwecke oder als unentgeltliche Zuwendung.

Sachverhalt: Der Kläger betreibt
eine Biogas-Anlage, mit der er Strom und Wärme produziert. Für die Anschaffung
der Anlage machte der Kläger die Vorsteuer geltend. Den Strom speiste er gegen
Entgelt in das allgemeine Stromnetz ein. Die Wärme überließ er zwei
Unternehmern: zum einen dem Unternehmer A, der die Wärme zur Trocknung von Holz
in Containern verwendete, und zum anderen dem Unternehmer B, der mit der Wärme
seine Spargelfelder beheizte. Zwar sollten sowohl A und B eine Vergütung an den
Kläger zahlen; tatsächlich stellte der Kläger aber weder A noch B ein Entgelt
in Rechnung und erhielt daher auch kein Geld von den beiden Unternehmern. Der
Kläger erhielt allerdings vom Stromnetzbetreiber einen sog.
Kraft-Wärme-Kopplung-Bonus (KWK-Bonus) in Höhe von ca. 85.000 €. Das
Finanzamt sah in der unentgeltlichen Überlassung der Wärme eine Entnahme und
setzte Umsatzsteuer auf der Grundlage der Selbstkosten des Klägers fest.

Entscheidung: Der BFH hat nun
den EuGH angerufen, damit dieser entscheidet, ob die unentgeltliche Überlassung
der Wärme an einen anderen Unternehmer eine umsatzsteuerbare Entnahme
darstellt:

  • Nach dem Wortlaut handelte es sich bei der unentgeltlichen
    Wärmeabgabe um eine unentgeltliche Zuwendung und damit um eine umsatzsteuerbare
    Entnahme. Zwar hatte der Kläger für die Wärmeabgabe ein Entgelt vereinbart,
    dieses jedoch nicht in Rechnung gestellt.

  • Allerdings könnte es geboten sein, nur dann eine Entnahme
    anzunehmen, wenn es ohne umsatzsteuerbare Entnahme zu einem
    unversteuerten Endverbrauch käme. Die
    unentgeltliche Überlassung an einen anderen Unternehmer wäre dann nicht
    zwingend eine Entnahme. Dabei wäre dann weiter zu differenzieren, ob der andere
    Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (dann keine Entnahme) oder nicht
    vorsteuerabzugsberechtigt ist (dann Ansatz einer Entnahme).

  • Außerdem soll der EuGH klären, ob im Fall einer
    umsatzsteuerbaren Entnahme in die Bemessungsgrundlage nur diejenigen
    Selbstkosten eingehen, die vorsteuerbelastet sind, oder sämtliche Selbstkosten.
    Nach dem Gesetz sind die Selbstkosten anzusetzen, weil es keinen Einkaufspreis
    für die Wärme gab. Denn A und B waren nicht an ein Wärmenetz angeschlossen, das
    einen Bezug von Wärme von Dritten gegen Entgelt ermöglicht hätte.

  • Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für eine mögliche
    Entnahme ist vom EuGH ferner die Frage zu beantworten, ob in die Selbstkosten
    auch Finanzierungsaufwendungen eingehen oder aber nur die unmittelbaren
    Herstellungs- bzw. Erzeugungskosten. Aus Sicht des BFH ist dies zu verneinen,
    weil anderenfalls eine einfache Wertbemessung von Entnahmen nicht möglich ist.

Hinweise: Hätte der Kläger ein
Entgelt für die Lieferung der Wärme in Rechnung gestellt, wäre die Lieferung
der Wärme umsatzsteuerbar gewesen; möglicherweise hat sich der Kläger aber mit
dem KWK-Bonus zufriedengegeben. Hätte der Kläger die Wärme hingegen einfach
ungenutzt entweichen lassen, wäre keine Umsatzsteuer entstanden. Das Problem
entsteht im Streitfall dadurch, dass der Kläger die Wärme unentgeltlich
überlassen hat.

Die vom BFH im aktuellen Vorabentscheidungsersuchen angesprochenen
Lösungsmöglichkeiten weisen zahlreiche Probleme auf: Sollte es nämlich auf den
Vorsteuerabzug von A und B ankommen, müsste der Kläger prüfen, ob A und B zum
Vorsteuerabzug berechtigt waren, und würde das Risiko einer steuerlichen
Fehlbeurteilung tragen. Im Streitfall ist z.B. unklar, ob A und B zum
Vorsteuerabzug berechtigt waren oder aber als Kleinunternehmer oder aufgrund
einer Pauschalregelung für Forst- und Landwirte nicht zum Vorsteuerabzug
berechtigt waren.

Würde man die Entnahme trotz Vorsteuerabzugsberechtigung des A und
B der Umsatzsteuer unterwerfen, könnten A und B dennoch keine Vorsteuer
abziehen, so dass die Umsatzsteuer nicht mehr neutral wäre.

Quelle: BFH, Beschluss v. 22.11.2022 – XI R 17/20;
NWB