Die Klage eines bei der
 Steuerberaterprüfung durchgefallenen Rechtsanwalts gegen das Prüfungsergebnis
 dauert unangemessen lange, wenn die Schriftsätze ausgetauscht sind, das Gericht
 aber danach nicht mit der Terminierung zur mündlichen Verhandlung beginnt.
 Soweit eine unangemessene Verzögerung vorliegt und der Kläger eine
 Verzögerungsrüge erhoben hat, ist dem Kläger für jeden Monat der Verzögerung
 eine Entschädigung von 100 € zuzusprechen. 
Hintergrund: Dauert ein
 Gerichtsverfahren unangemessen lange, steht dem Verfahrensbeteiligten
 grundsätzlich eine Entschädigung von 100 €/Monat zu. 
Streitfall: Der Kläger war
 Rechtsanwalt, wollte aber auch Steuerberater werden und nahm zweimal vergeblich
 an der Steuerberaterprüfung teil. Gegen den Bescheid über das Nichtbestehen
 erhob er im Januar 2017 Klage und reichte eine 76-seitige Klagebegründung ein.
 In der Folgezeit wurden die gegenseitigen Schriftsätze ausgetauscht. Am
 28.2.2019 erkundigte sich die Steuerberaterkammer als Verfahrensbeteiligte nach
 dem Verfahrensstand; das Gericht übermittelte eine Standardantwort, übersandte
 diese jedoch nicht dem Kläger. Am 30.10.2019 erhob der Kläger Verzögerungsrüge.
 Am 10.12.2019 lud das Finanzgericht die Sache zur mündlichen Verhandlung im
 Januar 2020. Die Klage wurde abgewiesen. Anschließend erhob der Kläger
 Entschädigungsklage beim Bundesfinanzhof (BFH) und beantragte eine
 Entschädigung von 900 € für eine Verzögerung von neun Monaten. 
Entscheidung: Der BFH gab der
 Entschädigungsklage statt und sprach dem Kläger eine Entschädigung von 900
 € zu: 
-  Zwar genügt es im Finanzgerichtsverfahren grundsätzlich, wenn 
 ein Fall, der nicht überdurchschnittlich schwer ist, nach zwei Jahren geladen
 wird. Dieser Grundsatz lässt sich auf Klagen im Bereich der
 Steuerberaterprüfung aber nicht übertragen, da das Bestehen einer Prüfung für
 einen Kläger eine hohe Bedeutung hat; denn ohne bestandene Prüfung kann er
 seinen Beruf nicht ausüben.
-  Die genaue angemessene Dauer hängt von der Komplexität des 
 Falls, hier etwa vom Umfang der Klagebegründung mit 76 Seiten, und von der
 – hier erfolgten – Mitwirkung des Klägers ab. Der Streitfall war
 bereits angesichts der sehr umfangreichen Klageschrift überdurchschnittlich
 schwierig, hätte aber wegen der großen Bedeutung des Falls für den Kläger
 gleichwohl zügig bearbeitet werden müssen. Dem steht nicht entgegen, dass der
 Kläger bereits Rechtsanwalt war und daher auch ohne bestandene
 Steuerberaterprüfung steuerberatend tätig werden durfte.
-  Bitte lizenzieren Sie die NWB Webnews, um diese News auf Ihre Website einzubinden. Konkret ist es jedenfalls ab März 2019 zu einer unangemessenen 
 Verzögerung gekommen, da im Februar 2019 die Steuerberaterkammer nach dem
 Sachstand gefragt hatte und anschließend nichts mehr geschah. Erst im Dezember
 2019 erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung. Damit war für den Zeitraum
 vom März 2019 bis November 2019 eine neunmonatige Verzögerung anzunehmen.
-  Diese Verzögerung war durch die verschiedenen Erkrankungen der 
 zuständigen Richterin nicht gerechtfertigt. Denn im Fall der Erkrankung müssen
 die Vertreter der Richterin einspringen, ggf. auch der Vorsitzende.
Hinweise: Eine Verzögerungsrüge
 wirkt grundsätzlich nur sechs Monate zurück, so dass die am 30.10.2019 erhobene
 Verzögerungsrüge an sich nur den Zeitraum ab 30.4.2019 bis einschließlich
 November 2019 erfassen konnte. Der BFH hielt es aber für sachgerecht, dem
 Kläger bereits ab März 2019 eine Entschädigung zuzusprechen. Denn der Kläger
 wollte erst einmal den Ausgang der Sachstandsanfrage der Steuerberaterkammer im
 Februar 2019 abwarten; die Standardantwort der Richterin war ihm aber nicht
 übermittelt worden, so dass dem Kläger nicht vorgehalten werden konnte, dass er
 seine Verzögerungsrüge erst im Oktober 2019 erhoben hat. 
Eine Verzögerungsrüge darf auch nicht zu früh erhoben werden, also
 bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerung noch nicht zu befürchten
 ist. Anderenfalls ist die Verzögerungsrüge unwirksam. 
Eine Verzögerungsrüge ist nicht auf finanzgerichtliche Verfahren
 beschränkt, sondern gilt für alle Gerichtszweige, also z. B. auch für Zivil-,
 Verwaltungs- oder Arbeitsgerichte. 
Quelle: BFH, Urteil v. 23.3.2022
 – X K 2/20; NWB 
 
 
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