Eine nur einmal im Leben mögliche Steuervergünstigung wie der
		ermäßigte Durchschnittssteuersatz auf Veräußerungsgewinne kann dadurch bereits
		verbraucht sein, dass das Finanzamt in einem früheren Jahr die
		Steuervergünstigung rechtswidrig und ohne Antrag des Steuerpflichtigen gewährt
		hat. Zu einem Verbrauch kommt es nur dann nicht, wenn die damalige
		Steuerbegünstigung für den Steuerpflichtigen aufgrund ihrer geringen Höhe und
		wegen eines fehlenden Hinweises des Finanzamts nicht erkennbar
		war.
Hintergrund: Veräußerungsgewinne
		aus dem Verkauf eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils werden begünstigt
		besteuert. So gibt es z.B. eine sog. Fünftelregelung, bei der der Steuersatz
		geglättet wird, oder alternativ auf Antrag die Gewährung eines ermäßigten
		Durchschnittssteuersatzes, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr
		vollendet hat oder berufsunfähig ist. Der ermäßigte Durchschnittssteuersatz
		wird aber nur einmal im Leben gewährt. 
Sachverhalt: Der 55 Jahre alte
		Kläger war an einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis beteiligt. Im Jahr 2006
		leistete die Kassenärztliche Vereinigung Nachzahlungen, die dem Kläger anteilig
		zugerechnet wurden. Dem Finanzamt des Klägers unterlief jedoch ein Fehler,
		indem es für diese Nachzahlungen den ermäßigten Durchschnittssteuersatz für
		Veräußerungsgewinne gewährte, obwohl es sich nicht um Veräußerungsgewinne
		handelte und der Kläger keinen Antrag gestellt hatte. Dies führte für das Jahr
		2006 zu einer Steuerminderung von ca. 8.000 €, die der
		Steuerberater des Klägers bemerkte, aber nicht beanstandete. Im Streitjahr 2016
		veräußerte der Kläger seinen Anteil an der Gemeinschaftspraxis und stellte den
		Antrag auf Gewährung des ermäßigten Durchschnittssteuersatzes. Das Finanzamt
		lehnte den Antrag ab, weil der ermäßigte Durchschnittssteuersatz nur einmal im
		Leben gewährt wird und dies bereits 2006 der Fall gewesen ist. 
Entscheidung: Der
		Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: 
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Der ermäßigte Durchschnittssteuersatz wird nur einmal im Leben 
 gewährt. Er ist bereits im Jahr 2006 gewährt worden und kann daher nicht noch
 einmal im Streitjahr 2016 gewährt werden.
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Unbeachtlich ist, dass die Gewährung im Jahr 2006 rechtswidrig 
 war, weil der Kläger im Jahr 2006 keinen Veräußerungsgewinn erzielt und auch
 keinen Antrag auf Gewährung des ermäßigten Durchschnittssteuersatz gestellt
 hatte. Denn der Kläger hatte die Gewährung für das Jahr 2006 erkannt und
 gebilligt.
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Der ermäßigte Durchschnittsteuersatz soll nur einmal im Leben 
 gewährt werden, weil er an das Ausscheiden aus dem Berufsleben anknüpft. Eine
 zweimal gewährte Begünstigung widerspräche diesem Zweck.
Hinweise: Um den Verbrauch der
		Steuervergünstigung zu verhindern, hätte der Kläger gegen den Steuerbescheid
		2006 Einspruch einlegen und sich gegen die damals zu Unrecht gewährte
		Steuervergünstigung wehren müssen. Der Kläger hätte dann zwar für 2006 eine
		höhere Steuer zahlen müssen, nämlich ca. 8.000 €, hätte dafür aber
		den ermäßigten Durchschnittssteuersatz im Jahr 2016 beantragen können.
		
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die damalige Gewährung des
		ermäßigten Durchschnittssteuersatzes für den Kläger nicht erkennbar war, weil
		sie sich nur in geringer Höhe ausgewirkt hatte und das Finanzamt auf den
		ermäßigten Durchschnittssteuersatz nicht hingewiesen hatte. Diese
		Voraussetzungen lagen im Streitfall jedoch nicht vor. 
BFH, Urteil v. 28.9.2021 – VIII R 2/19; NWB
 
					 
												
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