Das Finanzgericht Münster (FG) hat verfassungsrechtliche Zweifel an
der Höhe der Säumniszuschläge im Jahr 2019 und hat Aussetzung der Vollziehung
gewährt. Die verfassungsrechtlichen Zweifel ergeben sich aus der vom
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellten Verfassungswidrigkeit des
Zinssatzes ab 1.1.2019; die Begründung des BVerfG zur Höhe des Zinssatzes lässt
sich auf Säumniszuschläge übertragen und führt zur Aussetzung der Vollziehung
in voller Höhe, da es eine teilweise Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen
Höhe von Säumniszuschlägen nicht geben kann.

Hintergrund: Bei einer
verspäteten Zahlung werden Säumniszuschläge in Höhe von 1 % monatlich des
rückständigen Betrags verwirkt. Sie sind also doppelt so hoch wie
Nachzahlungszinsen, die monatlich 0,5 % betragen. Das BVerfG hat im letzten
Jahr die Höhe des Zinssatzes für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019
für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber muss nun bis zum 31.7.2022
rückwirkend ab 1.1.2019 einen neuen Zinssatz verabschieden.

Sachverhalt: Die Antragstellerin
war eine GmbH, die aufgrund eines Grundstückskaufs im Jahr 2019
Grunderwerbsteuer bis zum 5.9.2019 zahlen musste. Tatsächlich zahlte sie diese
erst am 19.11.2019, so dass Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 5.9.2019 bis
5.12.2019 für drei Monate in Höhe von insgesamt 3 % verwirkt wurden. Die
Antragstellerin beantragte einen Abrechnungsbescheid über die Säumniszuschläge,
legte gegen diesen Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung,
die das Finanzamt ablehnte.

Entscheidung: Das FG gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung
des Abrechnungsbescheids in voller Höhe statt:

  • Die Aussetzung der Vollziehung ist zu gewähren, da es
    verfassungsrechtliche Zweifel an der gesetzlich festgelegten Höhe der
    Säumniszuschläge von 1 % monatlich gibt.

  • Säumniszuschläge stellen zum einen ein Druckmittel dar und
    sollen den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Zahlung anhalten. Zum anderen
    stellen sie auch eine Gegenleistung für das Hinausschieben der fälligen Steuern
    dar. Schließlich sollen sie den Verwaltungsaufwand des Finanzamts, der aufgrund
    einer verspäteten Zahlung entsteht, ausgleichen.

  • Soweit Säumniszuschläge eine Gegenleistung für das
    Hinausschieben der fälligen Steuern darstellen, haben sie eine zinsähnliche
    Funktion. Die Höhe des Zinssatzes von 6 % ist aber für Verzinsungszeiträume
    seit dem 1.1.2019 verfassungswidrig, wie das BVerfG festgestellt hat. Dies
    schlägt auch auf den Säumniszuschlag durch.

  • Die gesetzlich festgelegte Höhe des Säumniszuschlags kann nur
    insgesamt verfassungswidrig oder verfassungskonform sein, nicht aber teilweise
    verfassungswidrig. Daher ist eine Aussetzung der Vollziehung in voller Höhe
    geboten.

Hinweise: Im Allgemeinen geht
man davon aus, dass in etwa die Hälfte des Säumniszuschlags, also 0,5 %
monatlich, eine Gegenleistung darstellt. Sollte der Gesetzgeber nun den
Zinssatz rückwirkend ab 1.1.2019 auf z.B. 3 % festlegen, müsste dies auch eine
Minderung der Säumniszuschläge nach sich ziehen, so dass dieser nur noch 0,75 %
monatlich betragen dürfte. Ob der Gesetzgeber die Höhe der Säumniszuschläge
mindern wird, ist derzeit nicht absehbar.

Säumniszuschläge werden nicht durch Bescheid festgesetzt, sondern
kraft Gesetzes verwirkt. Hält man die Säumniszuschläge für falsch, kann man
einen sog. Abrechnungsbescheid beantragen und gegen diesen dann mittels
Einspruchs und Klage vorgehen. Ebenso kann – wie im Streitfall – ein Antrag auf
Aussetzung der Vollziehung gestellt werden, so dass im Erfolgsfall die
Säumniszuschläge vorerst nicht gezahlt zu werden brauchen, bis über den
Einspruch oder die Klage entschieden ist.

FG Münster, Beschluss v. 16.12.2021 – 12 V 2684/21 AO, Beschwerde
zugelassen; NWB