Führt der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens das Unternehmen fort, richtet sich der Umfang des
Vorsteuerabzugs aus der Rechnung des Insolvenzverwalters nach dem Verhältnis
der vom Insolvenzverwalter getätigten umsatzsteuerpflichtigen Umsätze zum
Gesamtumsatz während des Insolvenzzeitraums. Unerheblich ist das Verhältnis der
zur Insolvenztabelle angemeldeten unternehmerischen Insolvenzforderungen zu dem
angemeldeten Gesamtforderungsbetrag, in dem auch private Insolvenzforderungen
enthalten sind.

Hintergrund: Der Vorsteuerabzug
setzt grundsätzlich voraus, dass der Unternehmer umsatzsteuerpflichtige Umsätze
erzielt. Tätigt der Unternehmer sowohl umsatzsteuerpflichtige als auch
umsatzsteuerfreie Umsätze, muss die Vorsteuer aufgeteilt werden. Sie ist nur in
dem Umfang abziehbar, in dem der Unternehmer umsatzsteuerpflichtige Umsätze
erzielt.

Sachverhalt: U war selbständiger
IT-Administrator. Über sein Vermögen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und
der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Zur Insolvenztabelle wurden sowohl
private als auch unternehmerische Insolvenzforderungen angemeldet; dabei betrug
der Anteil der unternehmerischen Insolvenzforderungen zu dem angemeldeten
Gesamtforderungsbetrag lediglich rund 17 %. Der Kläger führte als
Insolvenzverwalter das Unternehmen des U fort und erzielte während des
Insolvenzverfahrens Umsätze in Höhe von ca. 250.000 €. Der Kläger
erzielte dabei überwiegend (ca. 97 %) umsatzsteuerpflichtige Umsätze und nahm
nur in geringfügigem Umfang Verwertungshandlungen vor, bei denen er
Wirtschaftsgüter veräußerte, um die Gläubiger zu befriedigen. Der Kläger
berechnete für seine Insolvenzverwaltertätigkeit eine Vergütung von ca. 21.000
€ zzgl. ca. 4.000 € Umsatzsteuer und machte die Umsatzsteuer im
Umfang von 97 % als Vorsteuer des U geltend. Das Finanzamt erkannte den
Vorsteuerabzug hingegen nur im Umfang von 17 % an.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Die Vorsteuer ist zwar nicht vollständig abziehbar, weil nicht
    ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt wurden. Der
    Vorsteuerabzug ist aber im Umfang von 97 % möglich, weil der Kläger als
    Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens ganz
    überwiegend umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt
    hat.

  • Maßgeblich für den Umfang des Vorsteuerabzugs ist das
    Verhältnis der vom Kläger im Insolvenzzeitraum ausgeführten
    umsatzsteuerpflichtigen Umsätze zum Gesamtumsatz. Denn der Kläger hat das
    Unternehmen des U
    fortgeführt, da er in erheblichem Umfang
    Umsätze aus der bisherigen Tätigkeit im IT-Bereich erzielt und
    so gut wie keine Verwertungshandlungen
    vorgenommen
    hat. Der Anteil der umsatzsteuerpflichtigen
    Umsätze am Gesamtumsatz im Insolvenzzeitraum betrug ca. 97 %, so dass der
    Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters in diesem Umfang
    möglich war.

Hinweise: Anders wäre die
Entscheidung ausgefallen, wenn U sein Unternehmen bereits vor der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens eingestellt hätte. In diesem Fall wäre es auf das
Verhältnis der bis zur Einstellung getätigten umsatzsteuerpflichtigen Umsätze
zu dem bis dahin getätigten Gesamtumsatz angekommen.

Für die Annahme der Unternehmensfortführung spricht neben der
eigentlichen Fortführung der bisherigen Tätigkeit, wenn das Vermögen nicht
verwertet wird oder wenn in einem Insolvenzplan eine Regelung zum Erhalt des
Unternehmens getroffen wird.

Quelle: BFH, Urteil vom 23.10.2024 – XI R 20/22;
NWB