Gibt ein Steuerpflichtiger, der an einer GmbH mit mindestens 1 %
beteiligt ist, seinen Wohnsitz in Deutschland auf, muss er zwar im Rahmen der
sog. Wegzugsbesteuerung den Wertzuwachs, der bei seiner GmbH-Beteiligung
eingetreten ist, aufgrund des Wegzugs ins Ausland grundsätzlich versteuern.
Diese Versteuerung entfällt jedoch, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von
sieben Jahren wieder unbeschränkt in Deutschland steuerpflichtig wird; für
diesen Wegfall der Besteuerung ist nicht erforderlich, dass der
Steuerpflichtige bei dem Wegzug ins Ausland eine Rückkehrabsicht gehabt hat.

Hintergrund: Beendet ein
Steuerpflichtiger seine seit mindestens zwölf Jahren bestehende unbeschränkte
Steuerpflicht in Deutschland, indem er ins Ausland zieht, kann es zu einer sog.
Wegzugbesteuerung kommen, wenn der Steuerpflichtige wesentlich an einer GmbH
beteiligt ist, also mit mindestens 1 %. Er muss dann die Differenz zwischen dem
gemeinen Wert seiner GmbH-Anteile und den Anschaffungskosten versteuern, obwohl
er die Anteile gar nicht verkauft hat. Nach dem Gesetz entfällt die
Wegzugbesteuerung aber, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht im Inland
innerhalb von sieben Jahren wieder begründet wird. Das Finanzamt kann diese
Frist um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn die Absicht zur Rückkehr
unverändert fortbesteht.

Sachverhalt: Der Kläger war an
mehreren GmbHs mit mindestens 1 % beteiligt und zog am 1.3.2014 von Deutschland
nach Dubai. In seiner Ende 2015 abgegebenen Einkommensteuererklärung für 2014
machte der Kläger geltend, dass eine Wegzugbesteuerung nicht greife, weil er ab
dem 1.1.2016 wieder in Deutschland wohne. Das Finanzamt folgte der Auffassung
nicht, weil es eine Rückkehrabsicht des Klägers verneinte.

Entscheidung: Der BFH gab der
Klage, die noch einen weiteren streitigen Punkt betraf, hinsichtlich der
Wegzugbesteuerung statt:

  • Die Voraussetzungen der Wegzugbesteuerung lagen zwar an sich
    vor: Der Kläger war seit mindestens zehn Jahren (aktuelle Rechtslage:
    mindestens zwölf Jahre) unbeschränkt steuerpflichtig, und er war an mehreren
    GmbHs wesentlich beteiligt. Damit galt der Wegzug ins Ausland unter Aufgabe der
    unbeschränkten Steuerpflicht als Veräußerung der GmbH-Beteiligungen, die mit
    dem gemeinen Wert zu bewerten waren.

  • Allerdings ist die Wegzugbesteuerung dadurch entfallen, dass
    der Kläger innerhalb von fünf Jahren (aktuelle Rechtslage: innerhalb von sieben
    Jahren) nach seinem Umzug nach Dubai wieder unbeschränkt steuerpflichtig
    geworden ist. Denn der Kläger ist zum 1.1.2016 wieder nach Deutschland gezogen,
    so dass er nur vorübergehend abwesend war.

  • Für den Wegfall der Wegzugbesteuerung ist eine
    Rückkehrabsicht nicht erforderlich.
    Entscheidend ist, dass der Steuerpflichtige innerhalb der gesetzlichen Frist
    wieder nach Deutschland zurückkehrt und hier unbeschränkt steuerpflichtig wird.
    Die Rückkehrabsicht spielt nur eine Rolle, wenn die gesetzliche Frist vom
    Finanzamt verlängert werden soll.

Hinweise: Die Rechtslage hat
sich mittlerweile geändert, weil die Wegzugbesteuerung nur greift, wenn die
unbeschränkte Steuerpflicht zwölf Jahre bestand und weil die Wegzugbesteuerung
entfällt, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren wieder
unbeschränkt steuerpflichtig wird. Im Streitjahr 2014 kam es für den Fall der
Verlängerung der Frist durch das Finanzamt zusätzlich darauf an, dass der
Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass berufliche Gründe für seine Abwesenheit
maßgebend sind.

Die sog. Rückkehrerregelung (Begründung der unbeschränkten
Steuerpflicht innerhalb von sieben Jahren nach Wegzug) wird vom BFH zugunsten
der Steuerpflichtigen ausgelegt; nach dem aktuellen Urteil muss nämlich nicht
ermittelt werden, ob der Steuerpflichtige beim Wegzug ins Ausland eine
Rückkehrabsicht hatte. Der BFH widerspricht insoweit der Finanzverwaltung.

Quelle: BFH, Urteil v. 21.12.2022 – I R 55/19; NWB