Der Anspruch eines Klägers im Finanzgerichtsverfahren auf
		Prozesszinsen besteht nicht für den Zeitraum, in dem ihm während des
		Klageverfahrens die Steuer zurückbezahlt worden ist, nachdem vorübergehend
		Aussetzung der Vollziehung gewährt worden war. Anderenfalls käme es zu einer
		Überkompensation beim Kläger. 
Hintergrund: Wird durch eine
		Entscheidung eines Finanzgerichts die festgesetzte Steuer herabgesetzt, wird
		der zu erstattende Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit der Klage an bis zum
		Auszahlungsbetrag verzinst. Sofern der Kläger die Steuer erst nach Eintritt der
		Rechtshängigkeit gezahlt hat, beginnt die Verzinsung erst mit dem Tag der
		Zahlung. Der Zinssatz beträgt 6 % jährlich. 
Streitfall: Die Klägerin erhob
		am 22.12.2011 Klage gegen ihre Steuerfestsetzung; die Steuer hatte sie bereits
		bezahlt. Auf Antrag der Klägerin gewährte das Finanzgericht im Mai 2014
		Aussetzung der Vollziehung (AdV), so dass das Finanzamt im Mai 2014 die Steuer
		an die Klägerin erstattete. Auf Beschwerde des Finanzamts hob der
		Bundesfinanzhof (BFH) den AdV-Beschluss aber auf, so dass die Klägerin die
		Steuer am 24.12.2014 wieder an das Finanzamt bezahlte. Nachdem das
		Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Norm, auf der die Steuerfestsetzung
		beruhte, für verfassungswidrig erklärt hatte, zahlte das Finanzamt am 19.6.2017
		die Steuer erneut an die Klägerin zurück. Das Finanzamt setzte zugunsten der
		Klägerin Prozesszinsen fest, und zwar für den Zeitraum vom 22.12.2011 bis zum
		19.6.2017 abzüglich der Zeitspanne vom 19.5.2014 bis zum 24.12.2014, in der der
		Klägerin die Steuer aufgrund des AdV-Beschlusses des FG vorübergehend erstattet
		worden war. Die Klägerin machte Prozesszinsen auch für den Zeitraum vom
		19.5.2014 bis zum 24.12.2014 geltend. 
Entscheidung: Der
		Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab: 
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Die Verzinsung kommt nur für den Zeitraum in Betracht, in dem 
 die Klägerin die Steuer bezahlt hat und über das Geld nicht verfügen konnte.
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Eine Verzinsung für einen Zeitraum, in dem die Steuer aufgrund 
 einer gewährten AdV vom Finanzamt an die Klägerin zurückgezahlt worden ist,
 scheidet aus. Denn in diesem Zeitraum konnte die Klägerin über das Geld
 verfügen, so dass eine Verzinsung zu ihren Gunsten zu einer Überkompensation
 führen würde.
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Zwar konnte die Klägerin das Geld im Zeitraum vom 19.5.2014 
 bis zum 24.12.2014 nicht langfristig anlegen, weil sie damit rechnen musste,
 die Steuer nach Abschluss des Klageverfahrens wieder an das Finanzamt zu
 zahlen. Dies rechtfertigt aber nicht, für diesen Zeitraum Prozesszinsen zu
 gewähren.
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Der erste Verzinsungszeitraum begann am 22.12.2011, da die 
 Klägerin an diesem Tag die Klage erhoben und die Steuer bezahlt hatte, und
 endete am 19.6.2017, als das Finanzamt die Steuer aufgrund des AdV-Beschlusses
 zurückzahlte. Der zweite Verzinsungszeitraum begann am 24.12.2014, nachdem der
 Kläger aufgrund der Aufhebung des AdV-Beschlusses durch den BFH die Steuer
 erneut bezahlt hatte, und endete am 19.6.2017 mit der endgültigen Erstattung
 der Steuer an den Kläger. Insgesamt beträgt der Verzinsungszeitraum 58 Monate,
 da angefangene Monate außer Ansatz bleiben.
Hinweise: Da der
		Verzinsungszeitraum in zwei Teile aufgespalten wird, bleiben zweimal
		angefangene Monate außer Ansatz. Dieser Nachteil ist vom Kläger hinzunehmen,
		weil die Verzinsungsregelung pauschal ist. 
Durch die Verzinsung werden Folgenbeseitigungs- oder
		Schadensersatzansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen. Der Kläger könnte
		also, soweit er einen weitergehenden Schaden erlitten hat, einen
		Amtshaftungsanspruch geltend machen. Hierfür wäre dann aber das Landgericht
		zuständig und nicht die Finanzgerichtsbarkeit. 
Quelle: BFH, Urteil v. 17.5.2022
		– VII R 34/19; NWB
 
					 
												
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