Die an einen
Nießbrauchsberechtigten gezahlte Abfindung für die Aufhebung eines
Vorbehaltsnießbrauchs an GmbH-Anteilen unterliegt nicht der Einkommensteuer,
wenn der Nießbrauchsberechtigte nicht wirtschaftlicher Eigentümer der
GmbH-Anteile ist; am wirtschaftlichen Eigentum fehlt es, wenn sich der
Nießbrauch nur auf das Gewinnbezugsrecht erstreckt, nicht aber auch auf das
Stimmrecht und die sonstigen Mitverwaltungsrechte.
Hintergrund: Mit einem
Nießbrauch wird einem Nicht-Eigentümer das Recht eingeräumt, die Nutzungen aus
einer Sache oder aus einem Recht einzuziehen, z.B. die Miete eines Grundstücks
oder die Dividenden aus GmbH-Anteilen. Von einem Vorbehaltsnießbrauch spricht
man, wenn der Eigentümer einem Dritten, insbesondere einem Angehörigen, ein
Grundstück oder GmbH-Anteile schenkt, sich aber den Nießbrauch vorbehält, also
weiterhin die Nutzungen wie Miete oder Dividende erhalten will.
Sachverhalt: Die Klägerin
war mit 49 % an der A-GmbH beteiligt. Im Jahr 2012 schenkte sie ihren beiden
Töchtern jeweils die Hälfte ihrer Beteiligung, also jeder Tochter 24,5 %, und
behielt sich einen Nießbrauch vor. Der Nießbrauch erstreckte sich auf den
Gewinn, nicht aber auf die Mitgliedschaftsrechte wie z.B. das Stimmrecht. Im
Jahr 2019 wollten die Töchter ihre Anteile an der A-GmbH lastenfrei verkaufen.
Sie zahlten daher der Klägerin eine Abfindung, damit die Klägerin ihren
Nießbrauch an den Anteilen aufgibt. Das Finanzamt behandelte die Abfindung als
steuerbare Entschädigung für entgehende Einnahmen.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
-
Eine Entschädigung für
entgehende bzw. entgangene Einnahmen ist nur dann steuerbar, wenn die
Einnahmen steuerpflichtig sind. Die
Dividenden waren bei der Klägerin jedoch nicht steuerpflichtig. -
Dividenden sind vom
Anteilseigner zu versteuern. Dies erfordert das sog. wirtschaftliche Eigentum.
Wirtschaftliches Eigentum an GmbH-Anteilen setzt voraus, dass der Erwerber eine
rechtlich geschützte Position innehat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr
entzogen werden kann, dass ihm die mit dem GmbH-Anteil verbundenen wesentlichen
Rechte wie z.B. das Stimmrecht und das Gewinnbezugsrecht zustehen und dass das
Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn
übergegangen sind. -
Im Streitfall hatte die
Klägerin seit 2012 kein wirtschaftliches Eigentum mehr an den GmbH-Anteilen.
Zwar hatte sie sich den Nießbrauch vorbehalten. Der Nießbrauch erstreckte sich
jedoch nur auf das Gewinnbezugsrecht und nicht auf die Mitverwaltungsrechte wie
z.B. das Stimmrecht. Das Stimmrecht stand seit 2012 ihren Töchtern zu. -
Die Abfindung war somit nicht
steuerbar, da der Klägerin keine steuerpflichtigen Einnahmen entgingen.
Hinweise: Die Klägerin
hatte auch nach der Übertragung der GmbH-Anteile auf ihre Töchter im Jahr 2012
die Dividenden versteuert. Dies war fehlerhaft, da ihr das wirtschaftliche
Eigentum an den GmbH-Anteilen seit 2012 gar nicht mehr zustand. Richtigerweise
hätten ihre Töchter die Dividenden seit 2012 versteuern müssen.
Der BFH hält an seiner aktuellen
Rechtsprechung zum Nießbrauchsrecht an GmbH-Anteilen fest und verlangt, dass
sich der Nießbrauch auch auf die Mitverwaltungsrechte wie das Stimmrecht
erstrecken muss. Anderenfalls ist der Vorbehaltsnießbrauch steuerlich nicht
anzuerkennen.
Quelle: BFH, Urteil vom 11. Februar
2025 – IX R 14/24; NWB
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