Ein Steuerpflichtiger kann den Erlass von Säumniszuschlägen
beantragen, wenn sein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zwar keinen Erfolg
hatte, so dass Säumniszuschläge verwirkt worden sind, jedoch das Einspruchs-
bzw. Klageverfahren zu einer Herabsetzung der Steuer geführt hat. Voraussetzung
ist, dass der Steuerpflichtige seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung
begründet hatte. Ob es auch erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige nach
der Ablehnung seines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch das Finanzamt
noch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht stellt, hängt vom
Einzelfall ab.

Hintergrund: Gegen
Steuerbescheide, aus denen sich eine Nachzahlungsverpflichtung zu Lasten des
Steuerpflichtigen ergibt, kann der Steuerpflichtige Einspruch einlegen und
einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt und – nach
dessen Ablehnung – beim Finanzgericht stellen, damit er die Nachzahlung
zunächst nicht leisten muss. Wird die Aussetzung der Vollziehung gewährt,
entfällt damit auch die Fälligkeit, so dass keine Säumniszuschläge entstehen.
Wird der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung aber abgelehnt und die Steuer
nicht bei Fälligkeit gezahlt, entstehen Säumniszuschläge. Dies gilt auch dann,
wenn der Steuerpflichtige das eigentliche Einspruchs- oder Klageverfahren gegen
den Bescheid später gewinnt.

Sachverhalt: Das Finanzamt
erließ gegenüber den Klägern im Dezember 2018 einen geänderten
Einkommensteuerbescheid für 2012, aus dem sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe
von rund 1,1 Mio. € ergab. Die Nachzahlung beruhte auf dem Ansatz von
verdeckten Gewinnausschüttungen zu Lasten der Kläger in Höhe von ca. 4,2 Mio.
€. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und beantragten die
Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt; dieser Antrag sowie ein weiterer
Antrag hatten jedoch keinen Erfolg. Die Kläger stellten beim Finanzgericht
keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und zahlten die Steuer nicht, so
dass Säumniszuschläge verwirkt wurden. Im Einspruchsverfahren reichten die
Kläger Unterlagen ein, die zu einem weitgehenden Erfolg im Einspruchsverfahren
führten, so dass der Steuerbescheid im Februar 2020 geändert und die Steuer
deutlich herabgesetzt wurde. Für den Zeitraum vom Januar 2019 bis Februar 2020
waren jedoch Säumniszuschläge in Höhe von ca. 143.000 € entstanden,
deren Erlass die Kläger nun beantragten.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) hielt einen Erlass der Säumniszuschläge für denkbar und
verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:

  • Säumniszuschläge sind zu erlassen, wenn der Steuerpflichtige
    alles getan hat, um eine Aussetzung der Vollziehung des
    Steuerbescheids zu erreichen
    , hiermit aber beim Finanzamt
    oder beim Finanzgericht gescheitert ist, obwohl die Aussetzung der Vollziehung
    möglich und geboten gewesen wäre.

  • Erforderlich ist insbesondere, dass der Steuerpflichtige
    seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung
    begründet hat. Außerdem muss er im weiteren
    Verlauf des Einspruchs- bzw. Klageverfahrens Erfolg gehabt haben.

  • Es hängt allerdings von den Umständen des Einzelfalls ab, ob
    der Steuerpflichtige auch noch beim Finanzgericht einen Antrag auf Aussetzung
    der Vollziehung gestellt haben muss, nachdem das Finanzamt seinen mit einer
    Begründung versehenen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat.
    Grundsätzlich ist ein gerichtlicher Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht
    erforderlich. Denn wenn der Steuerpflichtige beim Finanzamt einen ausreichend
    begründeten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hat, hat er im
    Allgemeinen alles Erforderliche getan, um eine Aussetzung der Vollziehung zu
    erlangen, die die Entstehung von Säumniszuschlägen
    verhindert.

  • Anders ist dies aber, wenn zu erwarten ist, dass das
    Finanzgericht den Antrag auf Aussetzung möglicherweise positiv beurteilt hätte.
    Dies ist etwa der Fall, wenn das Finanzamt bei seiner Ablehnung der Aussetzung
    der Vollziehung an Verwaltungsanweisungen gebunden war. Das Finanzgericht ist
    hieran nicht gebunden und könnte daher anders entscheiden.

Hinweise: Das Finanzgericht muss
nun aufklären, inwieweit die Säumniszuschläge auf der Steuernachzahlung
beruhten, die durch den Änderungsbescheid aus Februar 2020 gemindert wurde; nur
insoweit kommt ein Erlass in Betracht. Anschließend muss das Finanzgericht
prüfen, ob die Kläger alles getan haben, um eine Aussetzung der Vollziehung zu
erreichen. Dies hängt u.a. davon ab, ob die Kläger daran gehindert waren, die
Unterlagen, die sie erst im Einspruchsverfahren eingereicht haben, schon im
Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung vorzulegen.

Quelle: BFH, Urteil vom 25.2.2025 – VIII R 2/23;
NWB