Erstellt der Steuerpflichtige seine Steuererklärung elektronisch im
sog. ELSTER-Portal und importiert er dabei versehentlich die Daten des
Vorjahres, die höhere Einkünfte enthalten, so dass es zu einer zu hohen
Steuerfestsetzung kommt, kann der Bescheid nach Ablauf der Einspruchsfrist
grundsätzlich nicht mehr zugunsten des Steuerpflichtigen korrigiert werden.

Hintergrund: Nach Ablauf der
Einspruchsfrist kann ein Steuerbescheid nur noch dann zugunsten des
Steuerpflichtigen korrigiert werden, wenn eine
Korrekturvorschrift anwendbar ist. Eine
Korrektur ist z. B. möglich, wenn der Steuerbescheid offenbar unrichtig ist
oder wenn neue Tatsachen nachträglich bekannt werden oder wenn es zu einer sog.
widerstreitenden Steuerfestsetzung gekommen ist oder wenn dem Steuerpflichtigen
bei der Erstellung der Steuererklärung Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen
sind.

Sachverhalt: Die Kläger waren
Eheleute und übermittelten ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr
2018 elektronisch über das sog. „ELSTER Formular“-Portal. Das
Finanzamt setzte die Einkommensteuer erklärungsgemäß mit Bescheid vom
23.10.2019 auf 15.911 € fest. Nur zwei Tage später, am 25.10.2019,
übermittelten die Kläger die Einkommensteuererklärung für 2018 erneut an das
Finanzamt, nun aber im sog. authentifizierten elektronischen Verfahren mit der
Bezeichnung „MEIN ELSTER“. In diese Steuererklärung fügten sie
versehentlich die Daten des Vorjahres 2017 ein, so dass sie höhere Einkünfte
aus Vermietung und Verpachtung erklärten. Das Finanzamt folgte der neuen
Steuererklärung und erließ am 13.11.2019 einen geänderten Steuerbescheid für
2018, in dem die Steuer auf 17.307 € erhöht wurde. Die Kläger bemerkten
ihren Fehler erst nach Ablauf der Einspruchsfrist und beantragten im Mai 2020
die Korrektur der Steuerfestsetzung für 2018. Dies lehnte das Finanzamt ab.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Der fehlerhafte Bescheid vom 13.11.2019 ist nicht Gegenstand
    eines Einspruchsverfahrens geworden. Denn die Kläger haben gegen den Bescheid
    vom 23.10.2019 keinen Einspruch eingelegt.

    • Die erneute Übermittlung der Steuererklärung am 25.10.2019
      war kein Einspruch gegen den Steuerbescheid vom 23.10.2019. Denn der
      Steuerbescheid vom 23.10.2019 galt nach der gesetzlichen Drei-Tage-Fiktion erst
      am 26.10.2019 als bekanntgegeben, so dass ein Einspruch grundsätzlich erst ab
      diesem Zeitpunkt möglich war.

    • Zwar kann ein Einspruch schon vor dem Tag der gesetzlich
      fingierten Bekanntgabe eingelegt werden, wenn der Steuerpflichtige den Bescheid
      tatsächlich schon vorher erhält, z.B. am 24.10. oder am 25.10. Von einer
      tatsächlichen Bekanntgabe am 24.10. oder 25.10 war aber nicht auszugehen.
      Hätten die Kläger den ersten Bescheid, der erklärungsgemäß ergangen war,
      nämlich schon am 24.10. oder 25.10. erhalten, hätten sie keinen Anlass gehabt,
      die Daten erneut, nun aber im authentifizierten Verfahren, an das Finanzamt zu
      übermitteln.

  • Möglich war daher nur eine
    Korrektur des fehlerhaften Bescheids vom
    13.11.2019. Hierfür fehlte aber eine Korrekturvorschrift:

    • Eine Änderung wegen nachträglich bekanntgewordener neuer
      Tatsachen war nicht möglich, weil die richtigen Vermietungseinkünfte bereits
      bei Erlass des Erstbescheids vom 23.10.2019 bekannt waren.

    • Eine widerstreitende Steuerfestsetzung, die zu einer
      Änderung berechtigen würde, lag ebenfalls nicht vor. Der Umstand, dass die
      Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr 2018 aufgrund des
      fehlerhaften Datenimports genauso hoch waren wie im Vorjahr 2017, stellt keinen
      Widerstreit dar, weil es nicht ausgeschlossen ist, dass ein Steuerpflichtiger
      in zwei aufeinanderfolgenden Jahren gleich hohe Einkünfte erzielt.

    • Es handelt sich auch nicht um eine offenbare
      Unrichtigkeit; denn das fehlerhafte Anklicken des Dateiordners aus dem Vorjahr
      2017 bei der Eingabe der Daten für das Streitjahr war kein offensichtlicher
      Fehler. Das Finanzamt hätte diesen Fehler nämlich nur dadurch bemerken können,
      dass es die Daten des Streitjahrs mit der Steuererklärung des Vorjahrs
      abgleicht.

    • Schließlich handelte es sich auch nicht um einen Schreib-
      oder Rechenfehler im Rahmen der Erstellung der Steuererklärung. Ein
      Schreibfehler wäre insbesondere ein Tippfehler, nicht aber das fehlerhafte
      Anklicken eines falschen Ordners. Das „Verklicken“ stellt vielmehr
      eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit bei der Erstellung der Steuererklärung
      dar; die Korrekturvorschrift, die Fehler bei der Erstellung der Steuererklärung
      erfasst, gilt aber nur für Schreib- oder Rechenfehler, nicht jedoch für ähnlich
      offenbare Unrichtigkeiten.

Hinweise: Für die Kläger ist die
Entscheidung bitter, da ihnen der Fehler erst nach Ablauf der Einspruchsfrist
aufgefallen ist. Hätten sie den Fehler vor Ablauf der Einspruchsfrist bemerkt,
hätten sie mit Erfolg Einspruch gegen den Bescheid 13.11.2019 einlegen können.
Die erneute Übermittlung hatten sie nur deshalb vorgenommen, weil sie nicht
sicher waren, ob die Übermittlung der Steuererklärung im Portal
„ELSTER-Portal“ wirksam war. Zudem fallen die Kläger in eine Lücke
zweier Korrekturvorschriften: Die eine Korrekturvorschrift (für offenbare
Unrichtigkeiten) greift nicht, weil der Fehler nicht offenbar war, und die
andere Korrekturvorschrift (für Schreib- und Rechenfehler bei Erstellung der
Steuererklärung) greift nicht, weil es kein Schreib- oder Rechenfehler war.

Quelle: BFH, Urteil vom 18.7.2023 – IX R 17/22; NWB