Die gegenseitige Veräußerung von
GmbH-Anteilen unter den Gesellschaftern der GmbH stellt einen
Gestaltungsmissbrauch dar, wenn der gegenseitig vereinbarte Kaufpreis deutlich
unter dem tatsächlichen Wert der jeweiligen Beteiligung liegt.

Hintergrund: Der Gewinn
oder Verlust aus dem Verkauf einer GmbH-Beteiligung, die im Privatvermögen
gehalten wird, wird steuerlich erfasst und führt, wenn die Beteiligung
mindestens 1 % beträgt, zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Der Gewinn bzw.
Verlust ist nach dem sog. Teileinkünfteverfahren zu 60 % steuerpflichtig.

Sachverhalt: Der Kläger
und A waren an der X-GmbH zu je 50 % beteiligt. Ihre Anschaffungskosten hatten
jeweils 500.000 € betragen. Das Eigenkapital der X-GmbH betrug am
31.12.2017 mehr als 291.000 €, der Gewinn des Jahres 2017 belief sich
auf ca. 135.000 €. Am 27.12.2017 verkaufte der Kläger seine Beteiligung
zum Kaufpreis von 12.500 € an A, und A verkaufte seinerseits seine
Beteiligung zum gleichen Kaufpreis an den Kläger. Beide Verträge waren nicht
notariell beglaubigt. Der Kläger hatte den Kaufpreis bereits am 22.12.2017 an A
überwiesen. Am 30.1.2018 wurden beide Verträge noch einmal abgeschlossen und
nunmehr notariell beurkundet. Der Kläger machte in seiner
Einkommensteuererklärung für 2017 einen Verlust in Höhe von 487.500 €
geltend, der sich nach dem Teileinkünfteverfahren zu 60 %, d. h. zu 292.500
€ auswirken sollte. Das Finanzamt erkannte den Verlust nicht an, weil
der notarielle Vertrag erst im Jahr 2018 geschlossen wurde.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Ein Verlust aus dem Verkauf
    einer GmbH-Beteiligung wird in demjenigen Jahr berücksichtigt, in dem das
    wirtschaftliche Eigentum an der Beteiligung übertragen wird. Dies war erst im
    Jahr 2018 der Fall, als der notarielle Vertrag abgeschlossen wurde. Der
    privatschriftlich am 27.12.2017 abgeschlossene Vertrag war hingegen
    formnichtig, da ein Vertrag über die Übertragung von GmbH-Anteilen notariell
    beurkundet werden muss. Der am 30.1.2018 notariell beurkundete Vertrag wirkte
    nicht zurück, sondern führte nur zu einer
    Heilung des Formmangels für die Zukunft.

  • Anhaltspunkte dafür, dass der
    A bereits im Streitjahr 2017 das wirtschaftliche Eigentum an der Beteiligung
    des Klägers erlangt hat, sind nicht ersichtlich.

  • Selbst bei notarieller
    Beurkundung des Vertrags bereits im Jahr 2017 wäre der Verlust aus dem Verkauf
    aber nicht anzuerkennen, weil der gegenseitige Verkauf
    gestaltungsmissbräuchlich
    war.

  • Zwar steht es einem
    Steuerpflichtigen frei, ob, wann und an wen er veräußert. Dies gilt aber nicht,
    wenn aus der Veräußerung deshalb ein Verlust entsteht, weil der vereinbarte
    Kaufpreis in krasser Weise die Wertverhältnisse verfehlt. Im Streitfall war die
    GmbH-Beteiligung deutlich mehr wert als 12.500 €; denn immerhin betrug
    das Eigenkapital der X-GmbH am 31.12.2017 mehr als 291.000 € und am
    31.12.2018 sogar mehr als 317.000 €. Ferner belief sich der Gewinn des
    Jahres 2017 auf ca. 135.000 €, und der Kläger sowie A bezogen aus ihrer
    Geschäftsführertätigkeit für die X-GmbH ein jährliches Gehalt von jeweils ca.
    95.000 €.

  • Für die gegenseitige
    Anteilsveräußerung zum Preis von jeweils 12.500 € gab es somit
    keinen realen wirtschaftlichen Hintergrund.

Hinweise: Der fehlende
wirtschaftliche Hintergrund ergab sich auch daraus, dass der Kläger bereits
fünf Tage vor dem Kaufvertrag vom 27.12.2017 den Kaufpreis an A überwiesen
hatte. Außerdem diente der Abschluss der Kaufverträge am 27.12.2017 ersichtlich
der Vorverlagerung des Veräußerungszeitpunkts in das Jahr 2017.

Die gegenseitige Anteilsveräußerung
wird auch „Anteilsrotation“ genannt. Sie wäre wohl anerkannt
worden, wenn der Kaufvertrag im Jahr 2017 notariell beurkundet worden wäre und
wenn der Kaufpreis dem tatsächlichen Wert der Beteiligung entsprochen hätte.

Quelle: BFH, Urteil v. 20.9.2022 –
IX R 18/21; NWB