Eine Bank, die sich von ihrem Kunden die Forderungen hat abtreten
lassen, haftet für die von ihrem Kunden nicht abgeführte Umsatzsteuer aus den
Forderungen, wenn die Drittschuldner die Forderungen bezahlen und auf das
Bankkonto des Kunden überweisen, der Kunde aber über sein Konto nicht mehr frei
verfügen kann. Dies ist der Fall, wenn die Bank die Überweisungsaufträge des
Kunden wegen Überschreitung der vereinbarten Kreditlinie nicht mehr ausführt
und deshalb wirtschaftlich verfügungsberechtigt bezüglich des Bankkontos
ist.

Hintergrund: Nach dem Gesetz
haftet der Abtretungsempfänger (Zessionar) für die Umsatzsteuer des Abtretenden
(Zedenten), die in der abgetretenen Forderung enthalten ist. Die Haftung ist
jedoch nur möglich, wenn der Zessionar den abgetretenen Betrag vereinnahmt.

Sachverhalt: Eine GmbH führte
ihre Umsatzsteuer, die sie für die Monate Juli und August 2007 angemeldet
hatte, nicht an das Finanzamt ab. Sie hatte ihre Forderungen aus ihren Umsätzen
an die Klägerin, eine Bank, bei der sie ein Bankkonto unterhielt, abgetreten.
Die Zahlungen der Drittschuldner wurden auf dem Bankkonto der GmbH verbucht.
Allerdings hatte die GmbH ihre Kreditlinie überschritten, so dass die Bank
Überweisungsaufträge der GmbH nicht mehr ausführte. Die Bank erlaubte der GmbH
lediglich, Transferüberweisungen auf ein Nebenkonto der GmbH zu tätigen, von
dem aus die Überweisungen für die Lieferanten getätigt wurden. Im Jahr 2008
wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Finanzamt
nahm daraufhin die Bank mit einem Haftungsbescheid für die Umsatzsteuer Juli
und August 2007 in Anspruch.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage der Bank gegen den Haftungsbescheid ab:

  • Die Voraussetzungen für eine Haftung der Bank lagen vor: Die
    Umsatzsteuer war festgesetzt worden, da die GmbH Umsatzsteuervoranmeldungen für
    Juli und August 2007 abgegeben hatte, die nach dem Gesetz einer
    Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen. Die GmbH
    hatte ihre Umsatzsteuer aus den abgetretenen Forderungen nicht an das Finanzamt
    bezahlt, und die Bank war Abtretungsempfängerin (Zessionarin).

  • Außerdem hatte die Bank den Forderungsbetrag vereinnahmt. Denn
    die Drittschuldner, die Kunden der GmbH, hatten die Forderungen bezahlt und das
    Geld auf das Konto der GmbH bei der Bank überwiesen. Über dieses Bankkonto
    konnte die GmbH nicht mehr frei verfügen, weil sie ihre Kreditlinie
    überschritten hatte und die Überweisungsaufträge von der Bank nicht mehr
    ausgeführt wurden. Tatsächlich war somit die Bank wirtschaftlich über das Konto
    der GmbH verfügungsberechtigt.

Hinweise: Zwar konnte die GmbH
noch Überweisungen auf ihr Nebenkonto vornehmen; dies reichte aber für eine
wirtschaftliche Verfügungsmacht der GmbH nicht aus.

Der Fall zeigt das Haftungsrisiko bei einer Forderungsabtretung
durch einen Unternehmer. Denn der Zessionar haftet grundsätzlich für die in den
Forderungen enthaltene Umsatzsteuer. Beim sog. echten Factoring ist die Haftung
aber ausgeschlossen, wenn der Abtretende Geld für die abgetretenen Forderungen
erhält und der Abtretungsempfänger keinen Zugriff auf das Konto hat, auf das
das Geld fließt.

BFH, Urteil v. 22.6.2021 – V R 16/20; NWB