Eine Forderung, die unter dem Nennwert erworben worden ist, kann
auch dadurch erfüllt werden, dass der Schuldner mit einer gleich hohen
Forderung, die er gegen den Steuerpflichtigen hat, gegenüber dem
Steuerpflichtigen aufrechnet. Dies führt beim Steuerpflichtigen zu Einkünften
aus Kapitalvermögen, soweit der Aufrechnungsbetrag höher ist als der für die
Forderung gezahlte Kaufpreis. Diese Einkünfte unterliegen nach der bisherigen
Rechtslage dem individuellen Steuertarif des Steuerpflichtigen, wenn es sich um
eine Forderung gegen eine GmbH handelte, an der der Steuerpflichtige mit
mindestens 10 % beteiligt ist.

Hintergrund: Zu den
Kapitaleinkünften gehört u.a. auch der Gewinn aus dem Verkauf einer Forderung.
Grundsätzlich unterliegen Kapitaleinkünfte der Abgeltungsteuer von 25 %. Die
Abgeltungsteuer ist nach dem Gesetz aber in bestimmten Fällen ausgeschlossen,
z.B. wenn die Kapitalerträge von einer GmbH stammen, an der der
Steuerpflichtige zu mindestens mit 10 % beteiligt ist.

Sachverhalt: Der Kläger war an
der M-GmbH mit 50 % beteiligt und erwarb im Jahr 2009 die weiteren 50 %, so
dass er Alleingesellschafter wurde. Zugleich trat der bisherige Gesellschafter
dem Kläger eine Forderung gegen die M-GmbH im Nennwert von 79.684 € ab.
Hierfür zahlte der Kläger einen Kaufpreis von 1 €. Im Streitjahr 2013
rechnete die M-GmbH mit einer gleich hohen Forderung, die sie gegen den Kläger
hatte, auf. Das Finanzamt setzte Kapitaleinkünfte in Höhe von 79.683 €
an, indem sie die Aufrechnung als Erfüllung der Forderung des Klägers ansah und
hiervon den gezahlten Kaufpreis von 1 € abzog. Die Einkünfte besteuerte
sie mit dem individuellen Steuertarif des Klägers und lehnte die Anwendung der
Abgeltungsteuer von 25 % ab.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Der Kläger hat eine Kapitalforderung im Nennwert von 79.684
    € zum Kaufpreis von 1 € erworben, die im Streitjahr durch
    Aufrechnung erfüllt worden ist. Diese Erfüllung durch
    Aufrechnung stellt eine Rückzahlung dar
    und führt damit zu
    Kapitaleinkünften; denn der Begriff der
    Rückzahlung ist weit auszulegen und ist nicht auf Überweisungen beschränkt.

  • Der aus der Erfüllung resultierende Gewinn von 79.683 €
    unterliegt nicht der Abgeltungsteuer von 25 %, sondern dem
    individuellen Steuersatz des Klägers. Die
    Abgeltungsteuer ist nämlich bei Kapitalerträgen, die ein zu mindestens 10 %
    beteiligter GmbH-Gesellschafter von seiner GmbH erhält, ausgeschlossen.

  • Der Ausschluss der Abgeltungsteuer ist nicht davon abhängig,
    dass die Erfüllung der Forderung des Klägers bei der GmbH zu Aufwand geführt
    hat. Der Ausschluss der Abgeltungsteuer gilt also auch dann, wenn sich die
    Erfüllung der Forderung bei der GmbH erfolgsneutral ausgewirkt hat. Zwar wurde
    das Gesetz im Jahr 2020 geändert; diese Änderung galt aber noch nicht im
    Streitjahr 2013.

Hinweise: Im Streitfall wäre es
für den Kläger vorteilhaft gewesen, wenn die Abgeltungsteuer anwendbar gewesen
wäre. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Abgeltungsteuer nicht vorteilhaft
ist, nämlich dann, wenn der Steuerpflichtige Verluste aus Kapitalvermögen
erleidet; diese sind im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer nämlich nicht
absetzbar. Hier hat sich die Rechtslage seit einer Gesetzesänderung im Jahr
2020 verschlechtert, weil die Berücksichtigung eines Verlustes eines mit
mindestens 10 % beteiligten GmbH-Gesellschafters davon abhängig ist, dass die
GmbH entsprechende Aufwendungen hat, die sie als Betriebsausgaben oder
Werbungskosten geltend machen kann. Dies erschwert bei einem mit mindestens 10
% beteiligten GmbH-Gesellschafter den steuerlichen Abzug von Darlehensverlusten
und gilt für Darlehen, die ab dem 1.1.2021 gewährt worden sind; für vor dem
1.1.2021 gewährte Darlehen gilt die Neuregelung erst ab dem
Veranlagungszeitraum 2024.

Quelle: BFH, Urteil v. 30.11.2022 – VIII R 27/19; NWB