Supervisionsleistungen eines Unternehmers sind nach europäischem
Recht umsatzsteuerfrei, wenn die Supervision der Ausbildung, Fortbildung oder
beruflichen Umschulung dient. Es ist nicht erforderlich, dass es sich bei der
Supervision um Unterricht handelt, der ein breites und vielfältiges Spektrum
von Stoffen vermittelt.

Hintergrund: Nach deutschem
Recht sind Unterrichtsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen
umsatzsteuerfrei. Die Umsatzsteuerfreiheit gilt z.B. für private Schulen und
andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen, deren Leistungen
unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen, wenn die zuständige
Landesbehörde bescheinigt, dass die Schule auf einen Beruf oder eine vor einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß
vorbereitet. Nach dem europäischen Recht ist hingegen der von Privatlehrern
erteilte Schul- und Hochschulunterricht umsatzsteuerfrei.

Sachverhalt: Die Klägerin
erbrachte selbständig Supervisionsleistungen. Sie schloss mit Arbeitgebern
Verträge und führte die Supervision bei deren Arbeitnehmern durch. Gegenstand
der Supervision war die Bewältigung des beruflichen Alltags, nicht aber die
Lösung persönlicher Probleme. Die Klägerin erzielte in den Streitjahren 2012
bis 2014 neben ihren Honoraren aus der Supervision noch Honorare aus einer
Hochschultätigkeit in Höhe von ca. 2.500 € bis ca. 5.000 €. Sie
behandelte ihre Umsätze aus der Supervision als umsatzsteuerfrei und ging davon
aus, dass sie hinsichtlich ihrer Hochschulumsätze Kleinunternehmerin sei, da
sie die in den Streitjahren geltende Umsatzgrenze von 17.500 €, die für
steuerpflichtige Umsätze der jeweiligen Vorjahre galt, nicht überschritten
habe. Das Finanzamt setzte hingegen Umsatzsteuer fest.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Zwar kann sich die Klägerin nicht auf eine
    Umsatzsteuerbefreiung nach deutschem Recht berufen. Denn sie erfüllte nicht die
    gesetzlichen Voraussetzungen, weil sie z.B. keine Bescheinigung der zuständigen
    Landesbehörde vorweisen konnte.

  • Jedoch gilt für die Klägerin die Umsatzsteuerbefreiung nach
    europäischem Recht. Die Klägerin war nämlich Privatlehrerin und erteilte
    Unterricht, der die weitere Voraussetzung, die von der Rechtsprechung
    aufgestellt worden ist, erfüllte: Der Unterricht diente nämlich der Ausbildung,
    Fortbildung oder beruflichen Umschulung. Dies umfasst auch die Supervision der
    Klägerin; denn die Supervisionssitzungen sollten Kompetenzen vermitteln, die im
    beruflichen Alltag erforderlich waren.

  • Zwar verlangt der Europäische Gerichtshof für die
    Umsatzsteuerfreiheit von Schul- und Hochschulunterricht, dass ein breites und
    vielfältiges Spektrum von Stoffen vermittelt wird, wie es für Schul- bzw.
    Hochschulunterricht typisch ist. Dieses Erfordernis gilt aber nicht im Bereich
    der Aus- und Fortbildung wie im Streitfall.

Hinweise: Da die
Supervisionshonorare umsatzsteuerfrei waren, blieben sie bei der Prüfung der
Umsatzgrenze für Kleinunternehmer außer Ansatz. Die verbleibenden Honorare aus
der Hochschultätigkeit lagen unter der in den Streitjahren gültigen
Umsatzgrenze von 17.500 €, so dass die Klägerin als Kleinunternehmerin
keine Umsatzsteuer schuldete.

Aktuell beträgt die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer 22.000
€. Die meisten umsatzsteuerfreien Umsätze gehen in die Ermittlung der
Überschreitung der Umsatzgrenze nicht ein.

Quelle: BFH, Beschluss v. 22.6.2022 – XI R 32/21 (XI R 6/19);
NWB