Für die umsatzsteuerliche Zuordnung einer sowohl privat als auch
unternehmerisch genutzten Photovoltaikanlage zum Unternehmen muss keine Frist
eingehalten werden, bis zu deren Ablauf der Unternehmer die Zuordnung dem
Finanzamt mitzuteilen hat. Allerdings stellt die Abgabefrist für die
Umsatzsteuererklärung, die für steuerlich nicht beratene Unternehmer gilt, eine
Dokumentationsfrist dar, bis zu deren Ablauf
diejenigen Anhaltspunkte, aus denen sich eine Zuordnung zum Unternehmen ergibt,
dokumentiert sein müssen. Ein derartiger Anhaltspunkt kann darin zu sehen sein,
dass der Steuerpflichtige bis zum Ablauf der Dokumentationsfrist einen
Einspeisevertrag mit einem Netzbetreiber abgeschlossen hat, der die Einspeisung
des gesamten Stroms ermöglicht.

Hintergrund: Verwendet der
Unternehmer einen Gegenstand sowohl für sein Unternehmen als auch privat, hat
er umsatzsteuerlich ein sog.
Zuordnungswahlrecht. Er kann den Gegenstand
entweder vollständig oder nur anteilig oder aber gar nicht seinem Unternehmen
zuordnen und dementsprechend die Vorsteuer vollständig, anteilig oder gar nicht
abziehen. Allerdings muss er bei einer vollständigen Zuordnung die
Privatnutzung des Gegenstands der Umsatzsteuer unterwerfen. Nach der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) musste das Zuordnungswahlrecht bis
zum Termin für die Abgabe der Umsatzsteuererklärung ausgeübt werden; dabei kam
es für alle Unternehmer auf die Abgabefrist an, die für steuerlich nicht
beratene Unternehmer gilt: Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2017 war
dies der 31.5. des Folgejahres; seit dem Veranlagungszeitraum 2018 gilt –
vorbehaltlich coronabedingter Fristverlängerungen – grundsätzlich der
31.7. des Folgejahres.

Streitfall: Der Kläger erwarb im
Jahr 2014 eine Photovoltaikanlage. Am 25.9.2014 schloss er mit einem
Netzbetreiber einen Einspeisevertrag und war berechtigt, seinen gesamten
produzierten Strom in das Netz einzuspeisen. Tatsächlich verwendete er einen
Teil des Stroms privat. Der Kläger gab seine Umsatzsteuererklärung für 2014 am
29.2.2016 ab und machte die Vorsteuer für die gesamte Anlage geltend. Das
Finanzamt hielt dies für verspätet, weil der Kläger seine
Zuordnungsentscheidung nicht bis zum 31.5.2015 getroffen hatte.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt, nachdem er den Europäischen
Gerichtshof (EuGH) angerufen hatte:

  • Es gibt keine
    Mitteilungsfrist
    , innerhalb derer der Unternehmer das
    Finanzamt über die erfolgte vollständige oder teilweise Zuordnung des gemischt
    genutzten Gegenstands zum Unternehmen informieren muss.

  • Es gibt lediglich eine
    Dokumentationsfrist, innerhalb derer
    diejenigen Anhaltspunkte, die nach außen hin erkennbar sind und die für eine
    Zuordnung zum Unternehmen sprechen, zu dokumentieren sind. Wird diese
    Dokumentationsfrist, die im Streitjahr 2014 mit der gesetzlichen Abgabefrist
    für die Umsatzsteuererklärung bis zum 31.5.2015 identisch ist, eingehalten,
    können die Anhaltspunkte dem Finanzamt auch nach Ablauf der Frist mitgeteilt
    werden.

  • Im Streitfall gab es einen nach außen hin erkennbaren
    Anhaltspunkt, der bis zum 31.5.2015 dokumentiert war. Aus dem bereits am
    25.9.2014 geschlossenen Einspeisevertrag ergab sich, dass der Kläger die
    gesamte Photovoltaikanlage seinem Unternehmen, der Stromproduktion, zugeordnet
    hatte; denn der Einspeisevertrag ermöglichte ihm die Einspeisung des gesamten
    produzierten Stroms. Unbeachtlich war, dass der Kläger dann einen Teil des
    Stroms selbst nutzte; insoweit unterlag der Privatverbrauch der Umsatzsteuer.

  • Unschädlich war ferner, dass der Kläger keine
    Umsatzsteuervoranmeldungen für 2014 abgegeben und daher auch keinen
    Vorsteuerabzug bis zum 31.5.2015 geltend gemacht hatte.

Hinweise: Auch in diesem
Verfahren – ebenso wie in dem Verfahren zur umsatzsteuerlichen Zuordnung
eines Büroraums, der sich in einem Einfamilienhaus befindet – hatte der
BFH den EuGH angerufen, damit der EuGH die Vereinbarkeit der bislang geltenden
Zuordnungsfrist mit dem Europarecht klärt. Zwar hat der EuGH die Vereinbarkeit
der Zuordnungsfrist mit dem Europarecht grundsätzlich bejaht. Dennoch geht der
BFH jetzt nicht mehr von einer Zuordnungsfrist aus, sondern nimmt lediglich
eine Dokumentationsfrist an. Für Unternehmer ist dies eine Verbesserung, sofern
es bis zum Abgabetermin für die Umsatzsteuererklärung nach außen hin erkennbare
Anhaltspunkte für eine Zuordnungsentscheidung gibt.

Der BFH nennt noch weitere objektiv erkennbare Anhaltspunkte für
eine Zuordnung zum Unternehmen, wie z.B. die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs
in einer Umsatzsteuervoranmeldung oder das Auftreten beim Erwerb unter dem
Namen des eigenen Unternehmens.

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Ausdrücklich offen lässt der BFH die Frage, ob sich durch die
gesetzliche Verlängerung der Abgabefrist für Steuerpflichtige ab dem
Veranlagungszeitraum 2018 (neuer Abgabetermin ist der 31.7. des Folgejahres)
auch die Dokumentationsfrist verschiebt. Falls ja, wäre zu beachten, dass es
aktuell zu weiteren gesetzlichen Verlängerungen der Abgabefrist kommt, die
durch die Corona-Krise veranlasst sind und die sich auch auf die
Dokumentationsfrist auswirken könnten.

Quelle: BFH, Urteil v. 4.5.2022
– XI R 29/21 (XI R 7/19); NWB