Für die umsatzsteuerliche Zuordnung eines sowohl privat als auch
unternehmerisch genutzten Gegenstands zum Unternehmen muss keine Frist
eingehalten werden, bis zu deren Ablauf der Unternehmer die Zuordnung dem
Finanzamt mitzuteilen hat. Allerdings stellt die Abgabefrist für die
Umsatzsteuererklärung, die für steuerlich nicht beratene Unternehmer gilt, eine
Dokumentationsfrist dar, bis zu deren Ablauf diejenigen Anhaltspunkte, aus
denen sich eine Zuordnung zum Unternehmen ergibt, dokumentiert sein müssen;
diese Dokumentation bzw. die entsprechenden Anhaltspunkte können dem Finanzamt
noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden.

Hintergrund: Verwendet der
Unternehmer einen Gegenstand sowohl für sein Unternehmen als auch privat, hat
er umsatzsteuerlich ein sog. Zuordnungswahlrecht. Er kann den Gegenstand
entweder vollständig oder nur anteilig oder aber gar nicht seinem Unternehmen
zuordnen und dementsprechend die Vorsteuer vollständig, anteilig oder gar nicht
abziehen. Allerdings muss er bei einer vollständigen Zuordnung die
Privatnutzung des Gegenstands der Umsatzsteuer unterwerfen. Nach der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) musste das Zuordnungswahlrecht bis
zum Termin für die Abgabe der Umsatzsteuererklärung ausgeübt werden; dabei kam
es für alle Unternehmer auf die Abgabefrist an, die für steuerlich nicht
beratene Unternehmer gilt: Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2017 war
dies der 31.5. des Folgejahres; seit dem Veranlagungszeitraum 2018 gilt –
vorbehaltlich coronabedingter Fristverlängerungen – grundsätzlich der
31.7. des Folgejahres.

Streitfall: Der Kläger war
Einzelunternehmer und hatte seine Büroräume bislang immer im eigenen Haus
unterhalten. Im Jahr 2014 plante er den Bau eines Einfamilienhauses. In den
Bauplänen war ein ca. 17 qm großer Raum im Erdgeschoss als
„Arbeiten“ bezeichnet. In seinen monatlichen
Umsatzsteuervoranmeldungen machte der Kläger keine Vorsteuer aus den
Herstellungskosten des Einfamilienhauses geltend. Erst in seiner im September
2016 abgegebenen Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2014 zog er die auf den 17 qm
großen Raum entfallende Vorsteuer ab. Das Finanzamt erkannte den Vorsteuerabzug
nicht an, weil der Kläger die Zuordnung zum Unternehmen nicht bis zum 31.5.2015
vorgenommen habe.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) hat die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren
Aufklärung zurückverwiesen, nachdem der BFH den Europäischen Gerichtshof (EuGH)
angerufen hatte:

  • Es gibt keine
    Mitteilungsfrist
    , innerhalb derer der Unternehmer das
    Finanzamt über die erfolgte vollständige oder teilweise Zuordnung des gemischt
    genutzten Gegenstands zum Unternehmen informieren muss.

  • Es gibt lediglich eine
    Dokumentationsfrist, innerhalb derer
    diejenigen Anhaltspunkte, die nach außen hin erkennbar sind und die für eine
    Zuordnung zum Unternehmen sprechen, zu dokumentieren sind. Wird diese
    Dokumentationsfrist, die im Streitjahr 2014 mit der gesetzlichen Abgabefrist
    für die Umsatzsteuererklärung bis zum 31.5.2015 identisch ist, eingehalten,
    können die Anhaltspunkte dem Finanzamt auch nach Ablauf der Frist mitgeteilt
    werden.

  • Im Streitfall könnte ein solcher Anhaltspunkt die Bezeichnung
    des Raums als „Arbeiten“ in den Bauplänen sein. Immerhin benötigte
    der Kläger ein Büro, und er hatte bereits vor 2014 kein externes Büro genutzt,
    sondern sein Büro in den Privaträumen untergebracht. Für eine Zuordnung zum
    Unternehmen könnte ferner sprechen, dass der Kläger den neuen Raum sogar schon
    bis zum Ablauf der Dokumentationsfrist (31.5.2015) für sein Unternehmen genutzt
    hat.

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    Für die Zuordnung ist es nicht entscheidend, dass der Kläger
    den Vorsteuerabzug nicht in seinen Umsatzsteuervoranmeldungen geltend gemacht
    hat.

Hinweise: Der BFH hat die Sache
nun an das FG zurückverwiesen, damit dieses prüft, ob die genannten
Anhaltspunkte oder andere Anhaltspunkte für eine umsatzsteuerliche Zuordnung
zum Unternehmen bis zum 31.5.2015 vorgelegen haben und dokumentiert worden
sind.

Der BFH hatte den EuGH zur Klärung der Frage angerufen, ob die
bisher angenommene Zuordnungsfrist bis zum 31.5. des Folgejahres (für
Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2017) mit dem Europarecht vereinbar
ist. Der EuGH hat dies im Grundsatz bejaht. Dennoch weicht der BFH die
Zuordnungsfrist nun auf und macht aus ihr eine bloße Dokumentationsfrist. Für
Unternehmer dürfte dies eine Entlastung darstellen, da sie nicht mehr gezwungen
sind, dem Finanzamt bis zum Abgabetermin für die Umsatzsteuererklärung (für
steuerlich nicht beratene Steuerpflichtige) die erfolgte Zuordnung mitzuteilen.

Quelle: BFH, Urteil v. 4.5.2022
– XI R 28/21 (XI R 3/19); NWB