Bezahlt ein Dritter die Steuerschuld eines Steuerpflichtigen, kann
der Dritte geltend machen, dass er durch Drohung des Steuerpflichtigen zu der
Zahlung an das Finanzamt gezwungen worden sei. Dies führt dazu, dass die
Tilgungsbestimmung des Dritten, nämlich die Angabe, die Steuerschuld des
Steuerpflichtigen zu tilgen, rückwirkend als nichtig anzusehen ist, so dass der
Dritte einen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt haben kann.

Hintergrund: Wird eine Steuer
ohne rechtlichen Grund gezahlt, hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung
bewirkt worden ist, nach dem Gesetz einen Erstattungsanspruch gegen das
Finanzamt. Damit ist nicht der Leistende gemeint, der gezahlt hat, sondern der
Steuerpflichtige, dessen Steuerschuld beglichen werden sollte.

Sachverhalt: Der X schuldete dem
Finanzamt Geld. Die Klägerin arbeitete im Steuerbüro des X. Am 24.2.2021
überwies die Klägerin Geld an das Finanzamt und gab als Verwendungszweck die
Steuernummer und die Steuerschuld des X an. Das Finanzamt sah damit die
Steuerschuld des X als getilgt an. Am 4.6.2021 beantragte die Klägerin beim
Finanzamt die Erstattung des von ihr überwiesenen Betrags und machte geltend,
dass sie sich bei der Überweisung geirrt habe. Das Finanzamt lehnte ihren
Erstattungsantrag mit der Begründung ab, dass nur X erstattungsberechtigt sei.
Am 18.6.2021 focht die Klägerin ihre Zahlung wegen Irrtums an. Am 22.12.2021
erklärte die Klägerin, dass sie von X erpresst worden sei und daher vorsorglich
jede Zahlung angefochten habe. Das Finanzamt lehnte auch weiterhin eine
Erstattung ab.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) hielt einen Erstattungsanspruch der Klägerin für möglich
und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Eine Steuerschuld kann auch durch einen Dritten bezahlt
    werden. Zahlt der Dritte ohne rechtlichen Grund, z.B. weil die Steuerschuld
    nachträglich entfällt, steht der Erstattungsanspruch nach dem Gesetz aber nicht
    dem Dritten, sondern dem Steuerpflichtigen zu. Dem Finanzamt soll nämlich nicht
    zugemutet werden, im konkreten Fall zu prüfen, ob der Dritte oder der
    Steuerpflichtige im Innenverhältnis einen materiell-rechtlichen Anspruch auf
    die Erstattung der Zahlung hat.

  • Allerdings kann der Dritte, der gezahlt hat, seine sog.
    Tilgungsbestimmung, also den Verwendungszweck, anfechten und anschließend sein
    Bestimmungsrecht neu ausüben. Die Anfechtungsmöglichkeit steht also nicht nur
    dem Steuerpflichtigen zu. Bei einer erfolgreichen Anfechtung wird die
    Tilgungsbestimmung rückwirkend nichtig. Daher kann der Dritte nach
    erfolgreicher Anfechtung seine Tilgungsbestimmung neu ausüben und z.B.
    bestimmen, dass nun seine eigene Steuerschuld getilgt werden soll.

  • Bei einer Anfechtung wegen einer Drohung oder
    Täuschung
    hat der Dritte ausnahmsweise einen
    eigenen Erstattungsanspruch
    . Denn in diesem Fall fehlte bei
    der Zahlung eine freie Willensbildung des Dritten; die freie Willensbildung
    (privatautonome Willensbildungsfreiheit) hat eine größere Bedeutung als das
    Bedürfnis der Finanzverwaltung, keine eigene Prüfung der zivilrechtlichen
    Beziehungen zwischen dem Dritten, der gezahlt hat, und dem Steuerpflichtigen
    vorzunehmen.

  • Das Finanzgericht muss nun aufklären, ob die Klägerin aufgrund
    einer Drohung des X dessen Steuerschuld bezahlt hat. Die
    Beweislast hierfür liegt bei der Klägerin.
    Sie muss unter
    anderem darlegen, weshalb sie am 4.6.2021 zunächst nur einen Irrtum geltend
    gemacht, ohne nähere Ausführungen zu dem Irrtum zu machen, und erst im Dezember
    2021 eine Drohung des X behauptet hat.

Hinweise: Bei einer Anfechtung
wegen Drohung kommt es nicht darauf an, ob das Finanzamt Kenntnis von der
Drohung hatte oder die Drohung hätte kennen müssen. Anders ist dies bei einer
Anfechtung wegen Täuschung.

Die Anfechtung wegen Täuschung oder wegen Drohung ist im Zivilrecht
geregelt. Für die Anfechtung gilt eine einjährige Frist, die im Streitfall
eingehalten worden sein dürfte; denn die Zahlung ist am 24.2.2021 und die
Anfechtung wegen Drohung am 21.12.2021 erfolgt.

Quelle: BFH, Urteil vom 19.3.2025 – X R 20/23;
NWB