Hat der Steuerpflichtige bei Gericht einen Antrag auf Aussetzung
der Vollziehung gestellt und droht in diesem Verfahren eine Abtretung des
Finanzamts an ein anderes Finanzamt, das gegenüber dem Steuerpflichtigen
aufrechnen soll, kann der Steuerpflichtige einen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung beim Finanzgericht stellen, damit die Abtretung
vorübergehend unterbunden wird.

Hintergrund: Erhält der
Steuerpflichtige einen Steuerbescheid, aus dem sich eine
Nachzahlungsverpflichtung zu seinen Lasten ergibt, kann er gegen den Bescheid
Einspruch einlegen und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim
Finanzamt und ggf. beim Finanzgericht stellen, damit die Nachzahlung
vorübergehend gestoppt wird. Voraussetzung ist, dass ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen. Eine andere Art des Eilverfahrens ist
die sog. einstweilige Anordnung, die statthaft ist, wenn ein Anspruch des
Steuerpflichtigen vereitelt werden könnte.

Sachverhalt: Das Finanzamt A
erließ gegenüber dem Antragsteller, der Geschäftsführer der C-GmbH gewesen war,
einen Haftungsbescheid über einen Betrag von ca. 315.000 €; hierbei
handelte es sich um Steuerschulden der C-GmbH. Der Antragsteller legte
hiergegen Einspruch ein und beantragte am 20.2.2025 die Aussetzung der
Vollziehung des Haftungsbescheids beim Finanzgericht, nachdem das Finanzamt die
Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte. Der Antragsteller wurde
einkommensteuerlich beim Finanzamt B geführt, bei dem er einen Anspruch auf
Steuererstattung erwartete. Während des gerichtlichen Verfahrens teilte das
Finanzamt A am 7.3.2025 dem Gericht mit, dass es den Zahlungsanspruch aus dem
streitigen Haftungsbescheid an das Finanzamt B abtreten werde, damit dieses
gegenüber dem Antragsteller aufrechnen kann. Der Antragsteller stellte
daraufhin beim Finanzgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung, damit sichergestellt wird, dass sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen
bezüglich des Haftungsbescheids unterbleiben.

Entscheidung: Das Finanzgericht
Berlin-Brandenburg (FG) gab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
statt:

  • Ein Antragsteller, der einen gerichtlichen Antrag auf
    Aussetzung der Vollziehung stellt, hat einen Anspruch auf ungestörte
    Durchführung des Verfahrens. Dies ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen
    Anspruch auf effektiven Rechtsschutz.

  • Dieser Anspruch wird gestört, wenn das Finanzamt A als
    Antragsgegner während des Verfahrens die Vollstreckung betreibt, die durch den
    Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gerade verhindert werden soll. Besonders
    wichtige Gründe für den sofortigen Vollzug des Haftungsbescheids sind im
    Streitfall nicht erkennbar.

  • Der Antragsteller kann daher mit einem Antrag auf Erlass einer
    einstweiligen Anordnung erreichen, dass die Vollstreckung unterbleibt, bis über
    seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden wird.

Hinweise: Das Finanzgericht
untersagte daher dem Finanzamt A die Abtretung des Anspruchs aus dem
Haftungsbescheid und hob – für den Fall, dass die Abtretung bereits
erfolgt ist – die Abtretungserklärung des Finanzamts A auf.

Üblicherweise vollstrecken die Finanzämter nicht, wenn der
Steuerpflichtige einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hat, über
den noch nicht entschieden ist. Die Vorgehensweise der beiden Finanzämter A und
B ist daher ungewöhnlich, auch wenn streitig ist, ob eine Aufrechnung eine
typische Vollstreckung ist. Unüblich ist aber auch, ein zweites Eilverfahren
– hier den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung –
„zwischenzuschieben“, um Luft für das Verfahren auf Aussetzung der
Vollziehung zu haben. In der Praxis kann das Finanzamt durch einen Anruf des
Gerichts von der Vollziehung abgehalten werden; gelingt dies nicht, weil das
Finanzamt mitteilt, dass es gleichwohl vollstrecken will, kann der Antrag auf
Aussetzung der Vollziehung vorgezogen und zugunsten des Steuerpflichtigen
gerichtlich entschieden werden, damit eine Vollziehung unterbleibt, bis eine
abschließende Entscheidung über mögliche ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Bescheids ergehen kann; man nennt dies auch
„gerichtliche Hängeverfügung“.

Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.3.2025 – 9 V
9049/25; NWB