Ein deutscher Steuerpflichtiger, der in den Niederlanden arbeitet
und dessen Gehalt in den Niederlanden aufgrund einer niederländischen
Gesetzesregelung, die für ausländische Arbeitnehmer gilt, zu 30 % steuerfrei
gestellt wird, muss diesen Anteil in Deutschland nicht versteuern. Allerdings
erhöht sich in Deutschland insoweit der Steuersatz für die übrigen Einkünfte
(sog. Progressionsvorbehalt).
Hintergrund: Steuerpflichtige,
die ihren Wohnsitz in Deutschland haben, müssen an sich ihr gesamtes Einkommen,
das sie in Deutschland oder im Ausland erzielen (sog. Welteinkommen),
versteuern. Allerdings gibt es zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung sog.
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Nach den DBA wird bei Arbeitnehmern das
Einkommen in demjenigen Staat besteuert, in dem der Arbeitnehmer tätig geworden
ist. Wird ein in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer im Ausland tätig, wird das
Gehalt in Deutschland nicht besteuert, sondern erhöht lediglich den Steuersatz
für die übrigen Einkünfte. Voraussetzung ist in der Regel jedoch, dass das
Gehalt im Ausland tatsächlich besteuert wird.
Sachverhalt: Der Kläger war
Arbeitnehmer, der im Streitjahr 2019 in Deutschland lebte und überwiegend in
den Niederlanden arbeitete. An 157 Tagen war er in den Niederlanden tätig und
an 80 Tagen in Deutschland; insgesamt war der Kläger also an 237 Tagen als
Arbeitnehmer tätig. Sein niederländischer Arbeitgeber zahlte ihm das Gehalt zu
30 % steuerfrei aus, weil nach einer Regelung des niederländischen Steuerrechts
Arbeitnehmer, die täglich aus dem Ausland (z.B. Deutschland) in die Niederlande
reisen, eine steuerfreie Erstattung für sog. extraterritoriale Mehrkosten (z.B.
für Familienheimfahrten) in pauschaler Höhe von 30 % erhalten. Das Finanzamt
war der Auffassung, dass der 30 %-Anteil in Deutschland auch insoweit
steuerpflichtig sei, als er auf die Tätigkeit des Klägers in den Niederlanden
entfällt (157/237); denn dieser Anteil sei in den Niederlanden tatsächlich
nicht besteuert worden.
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
-
Zwar unterliegt grundsätzlich das Welteinkommen des Klägers
der deutschen Steuerbarkeit. Aufgrund des DBA mit den Niederlanden wird das
Gehalt des Klägers aber nur insoweit in Deutschland besteuert, als der Kläger
in Deutschland tätig geworden ist, also zu 80/237. -
Soweit der Kläger in den Niederlanden tätig gewesen ist
(150/237), steht den Niederlanden das Besteuerungsrecht zu. Dieser Teil des
Gehalts unterliegt in Deutschland lediglich dem sog. Progressionsvorbehalt,
erhöht also den Steuersatz für die übrigen Einkünfte. -
Zwar setzt dies voraus, dass das Gehalt, soweit es auf die
Tätigkeit in den Niederlanden entfällt, in den Niederlanden auch tatsächlich
besteuert worden ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, da auch der 30 %-Anteil
als tatsächlich besteuert gilt. Denn es
handelt sich bei diesem Anteil nicht um eine sachliche oder persönliche
Steuerbefreiung oder gar um eine tatsächliche Nichtbesteuerung; vielmehr beruht
der 30 %-Anteil auf einer pauschalierten Erstattung steuerlich
relevanter Aufwendungen wie z.B. Familienheimfahrten.
Hinweise: Das Urteil ist für
Grenzgänger im deutsch-niederländischen Raum erfreulich, weil der in den
Niederlanden steuerfrei gestellte 30 %-Anteil, soweit er auf die in den
Niederlanden erbrachte Tätigkeit entfällt, in Deutschland nicht besteuert wird,
sondern nur beim Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen ist.
Dem BFH zufolge kommt es nicht darauf an, ob das deutsche
Steuerrecht eine vergleichbare Steuerfreistellung für sog. exterritoriale
Kosten kennt oder ob der 30 %-Anteil höher ist als die vermuteten Kosten.
Quelle: BFH, Urteil vom 10.4.2025 – VI R 29/22; NWB
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