Ein Steuerpflichtiger kann den Schaden, der ihm durch einen
Trickbetrug entstanden ist, nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich
geltend machen. Es handelt sich dabei nicht um einen außergewöhnlichen Schaden,
sondern um die Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos. Außerdem ist die
Zahlung an einen Trickbetrüger, der eine vermeintliche Kautionszahlung
erschleicht, nicht zwangsläufig.
Hintergrund: Außergewöhnliche
Belastungen sind Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig
entstehen. Typische Beispiele hierfür sind Krankheitskosten oder
Wiederbeschaffungskosten nach dem Untergang des Hausrats durch Feuer oder
Hochwasser.
Sachverhalt: Die Klägerin war im
Streitjahr 2022 77 Jahre alt. Sie erhielt einen Anruf, in dem ihr mitgeteilt
wurde, dass ihre Tochter einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht habe, jedoch
durch Zahlung einer Kaution in Höhe von 50.000 € eine Untersuchungshaft
vermieden werden könne; ein Bote werde das Geld in bar abholen. In einem
zweiten Anruf – nunmehr auf dem Mobiltelefon der Klägerin, die zuvor dem
ersten Anrufer ihre Mobiltelefonnummer mitgeteilt hatte – meldete sich ein
angeblicher Polizist, der sie aufforderte, beide Telefonverbindungen konstant
aufrechtzuerhalten und niemandem von dem Vorfall zu erzählen. Die Klägerin hob
bei ihrer Bank das Geld ab und übergab es dem Boten. Nachdem die Klägerin den
Trickbetrug bemerkt hatte, erstattete sie Strafanzeige; das Strafverfahren
wurde jedoch eingestellt, da die Täter nicht ermittelt werden konnten. Die
Klägerin machte den Betrag in Höhe von 50.000 € als außergewöhnliche
Belastungen geltend. Das Finanzamt erkannte die außergewöhnlichen Belastungen
nicht an.
Entscheidung: Das Finanzgericht
Münster (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
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Es fehlte bereits an der
Außergewöhnlichkeit. Das Risiko, Opfer einer
Straftat zu werden, ist nicht außergewöhnlich, sondern gehört zum allgemeinen
Lebensrisiko. Die Klägerin war keinem erhöhten Risiko – etwa aufgrund
einer prominenten Stellung – ausgesetzt, Opfer einer Straftat zu werden. -
Außerdem war die
Zwangsläufigkeit zu verneinen. Bei
Erpressungen ist nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung eine zweistufige
Prüfung vorzunehmen: Zum einen darf sich das Opfer nicht
selbst durch strafbares oder sozialwidriges Verhalten erpressbar
gemacht haben (wie z.B. bei einer außerehelichen Affäre). Zum
anderen darf für das Opfer keine zumutbare
Handlungsalternative bestanden haben. Im Streitfall wurde die
Klägerin aus strafrechtlicher Sicht zwar nicht erpresst, sondern betrogen.
Jedoch ist die vorliegende Situation eher mit der einer Erpressung
vergleichbar, sodass im Rahmen der Prüfung der Zwangsläufigkeit die o.g.
Grundsätze der Erpressung heranzuziehen sind. -
Die Klägerin hat sich nicht erpressbar gemacht, da sie weder
eine strafbare Tat begangen noch sich sozialwidrig verhalten hatte. Allerdings
stand ihr eine zumutbare Handlungsalternative zur Verfügung; denn sie hätte
ihre Tochter anrufen oder einen Rechtsanwalt oder eine andere Vertrauensperson
einschalten können. Im Übrigen stellte die angedrohte Untersuchungshaft keine
Gefahr für Leib und Leben ihrer Tochter dar.
Hinweise: Das FG verneint die
Außergewöhnlichkeit. Jedoch ist zu beachten, dass Krankheitskosten
grundsätzlich als außergewöhnlich gelten, obwohl viele Menschen krank werden
und mit Krankheitskosten belastet werden. Das Steuerrecht ist also – wie
so oft – nicht immer nachvollziehbar.
Auch die Prüfung einer zumutbaren Handlungsalternative entspricht
zwar den Vorgaben der Rechtsprechung. Es ist aber gerade das Wesen eines
– erfolgreichen – Telefonbetrugs, dass das Fehlen einer zumutbaren
Handlungsalternative vorgespielt wird und die Klägerin annehmen musste, dass
die Untersuchungshaft einer endgültigen Freiheitsstrafe gleichkommt. Auf
telefonischem Wege konnte die Klägerin keine Hilfe mehr herbeiholen, da sie
beide Telefonverbindungen konstant aufrechterhalten musste.
Möglicherweise ist in dieser Sache das letzte Wort noch nicht
gesprochen. Das Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Zurzeit ist noch nicht bekannt, ob diese auch eingelegt wurde.
Quelle: FG Münster, Urteil vom 2.9.2025 -1 K 360/25 E;
NWB
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