Die Erbschaftsteuerbefreiung für
ein vererbtes Familienheim ist rückwirkend zu versagen, wenn das Familienheim
vom Erben nicht für zehn Jahre zu eigenen Wohnzwecken selbst genutzt wird.
Unschädlich ist es aber, wenn dem Erben die Selbstnutzung objektiv unmöglich
oder aber objektiv unzumutbar geworden ist, weil er z.B. so pflegebedürftig
ist, dass eine selbständige Haushaltsführung des Erben selbst unter
Zuhilfenahme von Pflegeleistungen nicht mehr angenommen werden kann.

Hintergrund: Die
Vererbung eines Familienheims, das vom Erblasser zu eigenen Wohnzwecken genutzt
worden war, an ein Kind ist erbschaftsteuerfrei, soweit die Wohnfläche 200 qm
nicht übersteigt und wenn das Kind das Familienheim anschließend für mindestens
zehn Jahre selbst zu Wohnzwecken nutzt. Beendet das Kind die Selbstnutzung
innerhalb von zehn Jahren, ohne dass hierfür zwingende Gründe vorliegen, wird
die Steuerbefreiung rückgängig gemacht.

Streitfall: Die Klägerin
erbte im März 2009 von ihrem Vater ein Einfamilienhaus, das bis zum Tod ihres
Vaters von diesem und von ihr bewohnt worden war. Die Klägerin wohnte auch nach
dem Tod ihres Vaters in dem Haus, zog jedoch am 4.8.2016 aus. Einen Tag später
wurde das Haus abgerissen. Das Finanzamt machte daraufhin die ursprünglich
gewährte Erbschaftsteuerbefreiung rückgängig.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren
Aufklärung zurück, damit dieses feststellt, ob zwingende Gründe für die
Beendigung der Selbstnutzung vor Ablauf des Zehnjahreszeitraums vorlagen:

  • Die Voraussetzungen für die
    Steuerbefreiung lagen zunächst vor. Der Vater hatte das Einfamilienhaus zu
    eigenen Wohnzwecken genutzt, und auch die Klägerin nutzte das Einfamilienhaus
    nach dem Tod ihres Vaters zu eigenen Wohnzwecken.

  • Allerdings hat die Klägerin
    die Selbstnutzung vor Ablauf von zehn Jahren beendet. Dies ist steuerlich nur
    unschädlich, wenn sie an einer Selbstnutzung gehindert war. Dies setzt jedoch
    zwingende Gründe voraus. Die Selbstnutzung
    des geerbten Familienheims muss dem Erben also entweder objektiv unmöglich oder
    aber objektiv unzumutbar gewesen sein. Es genügt nicht, dass der Erbe die
    Selbstnutzung in persönlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht nicht mehr für
    zweckmäßig hielt.

  • Ein zwingender Grund kann in
    der Pflegebedürftigkeit des Erben liegen. Die Pflegebedürftigkeit muss dann
    aber so groß sein, dass externe Hilfe- und Pflegeleistungen ein solches Ausmaß
    annehmen, dass von einer selbständigen Haushaltsführung des Erben nicht mehr
    gesprochen werden kann.

  • Der bauliche Zustand des
    Familienheimes begründet hingegen keinen zwingenden Grund, sondern gehört
    lediglich zu den Wirtschaftlichkeits- und damit Zweckmäßigkeitserwägungen; denn
    bauliche Mängel können behoben bzw. – wenn bauliche Anpassungen infolge
    des Gesundheitszustands des Erben erforderlich sein sollten – den
    veränderten Lebensumständen angepasst werden.

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Hinweise: Das FG muss nun
ermitteln, ob zwingende Gründe vorlagen. Sollte die Klägerin pflegebedürftig
gewesen sein, hängt der Erhalt der Steuerbefreiung davon ab, dass die
gesundheitlichen Beeinträchtigungen so groß waren, dass die weitere
Selbstnutzung für die Klägerin unzumutbar gewesen wäre.

Sollte danach eine Steuerbefreiung
zu bejahen sein, wäre es unschädlich, dass das Haus nach der Beendigung der
Selbstnutzung abgerissen worden ist. Auch ein Verkauf nach Beendigung der
Selbstnutzung wäre erbschaftsteuerlich unschädlich gewesen.

Quelle: BFH, Urteil v.
1.12.2021 – II R 18/20; NWB