Das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) hält die sog. Mindestgewinnbesteuerung, nach der Verluste nur maximal
bis zur Höhe von 1 Mio. € mit einem Gewinn des Folgejahres verrechnet
werden dürfen und der darüber hinausgehende Gewinn trotz vorhandenen
Verlustvortrags mit 40 % versteuert werden muss, für verfassungsgemäß.
Hintergrund:
Grundsätzlich kann ein Verlust mit positiven Einkünften eines Folgejahres
verrechnet werden. Der Gesetzgeber hat jedoch eine Höchstgrenze von 1 Mio.
€ eingeführt. Eine Verlustverrechnung kann uneingeschränkt nur in Höhe
von 1 Mio. € erfolgen; darüber hinaus kann der Verlust nach der
Rechtslage bis einschließlich 2023 nur zu 60 % ausgeglichen werden, so dass 40
% der positiven Einkünfte des Folgejahres versteuert werden müssen; dies nennt
man Mindestgewinnbesteuerung , die es bei der Einkommen-, Körperschaft- und
Gewerbesteuer gibt.
Beispiel: A erzielt im
Jahr 01 einen Verlust in Höhe von 2 Mio. € und im Folgejahr einen Gewinn
in Höhe von 2 Mio. €. Er kann von dem Gewinn des Jahres 02 einen Verlust
aus 01 in Höhe von 1 Mio. € abziehen sowie darüber hinaus noch 600.000
€ (nämlich 60 % des übersteigenden Betrags). Daher muss er 400.000
€ Gewinn im Jahr 02 versteuern. Ihm verbleibt aber noch ein
Verlustvortrag von 400.000 €, den er in den Folgejahren ab 03 noch
nutzen kann. Zur geänderten Rechtslage ab 2024 s. Hinweise unten.
Sachverhalt: Die B-GmbH
hatte zum 31.12.2004 aus der Abschreibung einer hohen Forderung
einen Verlust in Höhe von ca. 46 Mio. € erlitten. Zwei Jahre später
buchte sie die Forderung wieder ein und wies für das Jahr 2006 einen Gewinn in
Höhe von ca. 75 Mio. € aus. Sowohl bei der Körperschaftsteuer als auch
bei der Gewerbesteuer kam es nun zu einer Mindestgewinnbesteuerung im Jahr
2008, da im Jahr 2008 der sog. Abwicklungszeitraum der zwischenzeitlich
insolvent gewordenen B-GmbH endete. Der Fall kam zum Bundesfinanzhof, der im
Jahr 2014 das BVerfG anrief, weil er die Mindestgewinnbesteuerung für
verfassungswidrig hielt.
Entscheidung: Das BVerfG
hält die Mindestgewinnbesteuerung für verfassungsgemäß:
-
Die Mindestgewinnbesteuerung
führt zwar zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, deren
Verlustvorträge maximal 1 Mio. € betragen, gegenüber Steuerpflichtigen,
deren Verlustvortrag höher als 1 Mio. € ist. Denn nur bei den
Steuerpflichtigen, deren Verlustvortrag höher ist als 1 Mio. €, droht
eine Mindestgewinnbesteuerung. -
Diese Ungleichbehandlung ist
aber durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
Denn die Mindestgewinnbesteuerung dient der kontinuierlichen und
gegenwartsnahen Besteuerung als sog. besonderem Fiskalzweck. Der Gesetzgeber
wollte mit der Mindestgewinnbesteuerung sicherstellen, dass trotz hoher
Verlustvorträge Steuern gezahlt werden. -
Der sog. Sockelbetrag in Höhe
von 1 Mio. € ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; denn er
knüpft an die Größenordnung an, die im Mittelstandsbereich vorkommt. -
Die Mindestgewinnbesteuerung
ist auch dann verfassungsgemäß, wenn der Verlustvortrag, der wegen
Überschreitung des Sockelbetrags von 1 Mio. € nicht vollständig genutzt
werden konnte, endgültig untergeht, weil z.B. das Unternehmen in Insolvenz geht
oder aus anderen Gründen der Betrieb eingestellt wird. Ein solcher
„Definitivverlust“, d.h. endgültiger Verlustuntergang, ist nämlich
keine unmittelbare Folge der Mindestgewinnbesteuerung , sondern Ausfluss des
allgemeinen Unternehmerrisikos. So kann es auch bei einem Unternehmen, das
einen Verlustvortrag von weniger als 1 Mio. € hat, zu einem sog.
Definitivverlust kommen, weil es etwa keine Gewinne mehr erzielt oder den
Betrieb einstellen muss.
Hinweise: Die
Mindestgewinnbesteuerung greift in der Regel bei Unternehmen mit hohen
Verlusten und Gewinnen, wenn z.B. ein Unternehmen, das über Jahre hohe Verluste
erzielt hat, seinen Betrieb einstellt und sein Anlagevermögen bei der
Betriebsaufgabe mit hohem Gewinn verkauft (z.B. ein Leasingunternehmen, das
Flugzeuge verleast). Die Mindestgewinnbesteuerung ist nicht auf Unternehmer
beschränkt, sondern gilt für alle Steuerpflichtigen, die über hohe
Verlustvorträge verfügen und diese in einem Folgejahr mit hohen positiven
Einkünften (z.B. aus Vermietung und Verpachtung) verrechnen wollen.
In den Veranlagungszeiträumen 2024
bis 2027 ist die Mindestgewinnbesteuerung für die Einkommen- und
Körperschaftsteuer von 40 % auf 30 % gesenkt worden.
Quelle:
BVerfG, Beschluss vom 23.7.2025
– 2 BvL 19/14; NWB
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