Ein Trainer, der Präventionstrainings für Kinder in Kindergärten
und Schulen durchführt, erbringt umsatzsteuerfreie Leistungen, weil es sich bei
dem Präventionstraining um eine eng mit der Erziehung von Kindern und
Jugendlichen verbundene Leistung handelt, die im Streitjahr 2010 nach
europäischem Umsatzsteuerrecht umsatzsteuerfrei war.
Hintergrund: Nach dem
europäischen Umsatzsteuerrecht sind die Erziehung von Kindern und Jugendlichen
sowie damit eng verbundene Dienstleistungen umsatzsteuerfrei, wenn sie durch
Einrichtungen, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder durch andere
Einrichtungen, die eine vergleichbare Zielsetzung haben und von ihrem Staat
anerkannt sind, erbracht werden.
Sachverhalt: Der Kläger war ein
Präventions- und Persönlichkeitstrainer. Er führte an Kindergärten und Schulen
u.a. Konfliktpräventionskurse für Kinder durch und stellte seine Leistungen den
Eltern in Rechnung. Der Kläger hielt seine Umsätze für umsatzsteuerfrei,
während das Finanzamt von einer Umsatzsteuerpflicht ausging. Der Fall kam zum
Bundesfinanzhof (BFH), der eine Umsatzsteuerfreiheit für Schul- und
Bildungsleistungen nach deutschem Recht verneinte und den Fall an das
Finanzgericht (FG) zurückverwies, damit es eine Umsatzsteuerfreiheit für
Erziehungsleistungen nach europäischem Recht prüft. Nachdem das FG auch diese
Umsatzsteuerfreiheit verneint hatte, kam der Fall im zweiten Rechtsgang erneut
zum BFH.
Entscheidung: Der BFH gab der
Klage statt:
-
Die Leistungen des Klägers im Rahmen seiner
Konfliktpräventionskurse waren Dienstleistungen, die eng mit der Erziehung von
Kindern und Jugendlichen zusammenhingen und daher nach europäischem
Umsatzsteuerrecht umsatzsteuerfrei waren. -
Der Begriff der Erziehung wird zwar im europäischen
Umsatzsteuerrecht nicht definiert. Es geht bei der Erziehung aber darum, dass
junge Menschen zu tüchtigen und mündigen Menschen geformt werden. Dabei müssen
soziale Kompetenzen und Werte vermittelt werden. Beim Unterricht geht es
hingegen um die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten. -
Der Konfliktpräventionsunterricht des Klägers erfüllte die
Voraussetzungen des Erziehungsbegriffs. Denn der Unterricht diente der
geistigen und sittlichen Entwicklung der Kinder und trug zur Willens- und
Charakterbildung bei. Außerdem sollte das Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und
die Widerstandsfähigkeit der Kinder gestärkt werden. -
Bei dem Kläger handelte es sich auch um eine
„Einrichtung“, wie sie vom europäischen Umsatzsteuerrecht
gefordert wird. Denn auch natürliche Personen können eine Einrichtung
darstellen, da auch natürliche Personen abgegrenzte Einheiten darstellen, die
eine bestimmte Funktion erfüllen. Dies gilt auch dann, wenn sie mit
Gewinnerzielungsabsicht tätig werden.
Hinweise: Der deutsche
Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 1.1.2020 eine Umsatzsteuerfreiheit für die
Erziehung von Kindern und Jugendlichen entsprechend der europäischen
Umsatzsteuerfreiheit eingeführt; nach dieser Neuregelung darf die Einrichtung
allerdings keine systematische Gewinnerzielung anstreben. Für den Kläger
spielte diese Neuregelung keine Rolle, da sie erst nach dem Streitjahr 2010 in
Kraft getreten ist.
Der Kläger konnte sich auf die europäische Umsatzsteuerbefreiung
berufen, da der deutsche Gesetzgeber die europäische Steuerfreiheit im
Streitjahr 2010 nicht in deutsches Recht umgesetzt hatte.
Quelle: BFH, Urteil vom 30.4.2025 – XI R 5/24; NWB
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